Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
Stellungnahme zu der Disziplinarsache gegen den Pionier Reinboth in der Hand und wedelte damit. »Das ist ja phantastisch.«
»Vorsicht, mach da keine Flecken drauf«, sagte Frank.
Sie saßen wieder, wie am Sonntag zuvor, beim Jugoslawen und aßen die große Grillplatte Balkan für zwei Personen, »das Günstigste«, wie Martin Klapp gesagt hatte, und günstig war es tatsächlich, die große Grillplatte Balkan waren Unmengen von Fleisch aller Art und Größe, und sie schaufelten es in sich hinein, als ob es kein Morgen geben würde, sie hatten beide den ganzen Tag nichts gegessen, die Küche war viel zu verwüstet, um etwas darin zu kochen, und Frank hatte den ganzen Nachmittag damit zugebracht, seine Wäsche im Waschsalon zu waschen und zu trocknen, und danach hatte er sich mit dem albernen Text für den Hauptmann herumschlagen müssen, denn Achim war das ganze Wochenende nicht aufgetaucht und hatte somit sein Versprechen, ihm zu helfen, nicht gehalten, was Frank ihm ein bißchen übelnahm, denn daß er jetzt überraschend in die Bezirksleitung des KBW gewählt worden war, mochte vielleicht für Martin Klapp eine Entschuldigung sein, nicht aber für Frank.
»Nein, warte mal«, sagte Martin Klapp und schaute auf das Papier, »hier, der erste Teil, das mit dem Unbewußten, das ist schon ziemlich gut, aber der zweite Teil, das ist pure Dialektik, Frankie, und wenn es nicht so kompromißlerisch, so reformistisch wäre, dann wäre jeder MLer zwischen hier und Garmisch-Partenkirchen stolz auf dich, so dialektisch ist das!« »Gibt es MLer in Garmisch-Partenkirchen?« sagte trank mißmutig. Er wollte das Papier wiederhaben, sie waren noch beim Essen, und das Papier war ein Unikat, zwei Seiten waren es geworden, die er sich nach unzähligen Versuchen, eine Lösung für das Reinboth-Problem zu finden, auf Martin Klapps Schreibmaschine zusammengetippt hatte. Hätte er geahnt, daß das Ding so lang werden würde, er hätte es einzeilig geschrieben, dann wäre es nur eine Seite geworden, aber alles noch einmal abzutippen war ihm dann doch zuviel der Mühe, so lieb hatte er weder die gute Form noch Pionier Reinboth, noch den Hauptmann.
»Schickedanz«, sagte Martin Klapp versonnen, »Hauptmann Schickedanz. Ist das nicht die Familie, die Neckermann besitzt?«
»Nein, das ist die Familie Neckermann«, sagte Frank. »Die reiten auch.«
»Oder Quelle«, sagte Martin Klapp.
»Gib das wieder, du hast dreckige Hände«, sagte Frank und griff nach dem Papier.
»Nein, im Ernst«, sagte Martin Klapp. »Das ist große Kunst, das wird den Mann retten, ehrlich. Du hast ihnen gar keine Wahl gelassen, du hast das voll im Griff, die müssen ihn wieder freilassen.«
»Er ist gar nicht eingesperrt.«
»Naja, jedenfalls ist da alles drin, das wird denen zu denken geben, auch diese unterschwellige Drohung mit Schlimmerem … Bloß die Sache mit dem Pfarrer, das ist irgendwie nicht ganz astrein, das riecht nach Komplizenschaft.«
»Wieso Komplizenschaft?«
»Weiß nicht, egal. Das ist großartig. Die werden den Mann nicht bestrafen, wenn die das lesen, die befördern den eher noch.« Martin Klapp lachte.
»Ich weiß nicht …«, sagte Frank zweifelnd und steckte das Papier zurück in seinen Umschlag.
»Das ist ganz große Dialektik. Sogar Achim wäre stolz auf dich, und der ist immerhin in der Bezirksleitung!«
»Das ist nicht gerade revolutionär, was ich da geschrieben habe«, gab Frank zu bedenken.
»Ach, revolutionär«, sagte Martin Klapp und wedelte mit einem aufgespießten Cevapcici. »Scheiß drauf, das geht doch alles den Bach runter. Der ist doch bloß in die Bezirksleitung gewählt worden, weil da schon wieder einer ausgestiegen ist. Bald sind die alle in der Bezirksleitung.« Er lachte freudlos. »Bald ist nur noch die Bezirksleitung da. Weißt du, wieviel KVZ wir früher mal in der Schule verkauft haben? Ich meine, so am Anfang?«
»Nein.«
»Fünfzehn, Frankie, fünfzehn Stück, manchmal auch zwanzig. Das war in der besten Zeit, da war der KBW total angesagt. Und weißt du, wie viele wir noch verkauft haben, als Ralf und ich ausgetreten sind?«
»Nein.«
»Drei. Und das war uns peinlich, deshalb haben wir immer acht bestellt und fünf weggeschmissen. Was soll das für eine Revolution werden, wenn das so läuft?«
»Keine Ahnung«, sagte Frank. »Immerhin habe ich ab und zu mal eine gekauft.«
»Ja, aber du warst am Ende ja gar nicht mehr in der Schule. Manchmal habe ich dich nur besucht, um dir eine anzudrehen.
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