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Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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und genoss das Mahl.
    Ein ferner Trommelschlag erreichte ihn. Er verfolgte seine Spur mitten in die Bucht, wo man ein Großschiff langsam in den Hafen einfahren sah. Er fragte einen vorbeigehenden Seemann, was das sei, und erfuhr, dass es sich um das fabelhafte chinesische Schiff ›Tai-Phung‹ handeln müsse, das jedes Jahr einmal in den Hafen einlaufe. Es bleibe gewöhnlich eine Woche, lasse Reparaturen ausführen, tausche Sklaven, Brokatstoffe, Gewürze und dergleichen und mache sich wieder auf den Weg nach Süden.
    Beauty aß und fühlte sich viel wohler. Ein Hermaphrodit kam heran, setzte sich und machte ihm ein Angebot, das ihn unter gewöhnlichen Umständen entweder beleidigt oder in Verlegenheit gebracht hätte. Jetzt aber lehnte er nur mit einem fröhlichen Lachen ab und fühlte sich sogar ein wenig geschmeichelt. Die Kombination der Lebenskraft dieser Stadt, eines angenehm vollen Magens und des trockenen Bambusweins hatte dazu beigetragen, dass er in fast jeder Beziehung optimistischer Stimmung geworden war. Er sog die frische Meeresluft tief in sich hinein, reckte sich auf den Hinterbeinen und machte sich wieder auf den Weg durch die Hafengegend.
    Nach fünfzig Schritten beobachtete er ein Muschelspiel. Eine Sphinx tauschte auf einem kleinen Stand drei halbe braune Muscheln rasch aus und forderte alle Vorbeigehenden auf, zu erraten, unter welcher die Perle verborgen lag. Beauty schaute zehn Minuten lang zu – er wettete natürlich nie – und erriet es nicht ein einziges Mal. Er lachte, schüttelte den Kopf und wanderte weiter.
    Es gab unendlich viel zu sehen. Eine Tänzerin mit Federschmuck erzielte bei einer Menge von Zuschauern hellen Jubel und küsste danach jeden, der ihr Geld zuwarf. Er verfolgte eine Messerstecherei zwischen einem Unglücksfall und zwei Satyren – sobald ein Tier verletzt wurde, setzte es sich hin und das andere nahm den Kampf auf. Alle drei bluteten, lachten und tranken. An einem Ende des Hafens war eine Sklavenversteigerung im Gange. Käufer besichtigten die Ware, während Verkäufer die Vorzüge des Angebots priesen. Beauty blieb hier nicht lange. Er kam auf den traurigen Gedanken, dass die Stadt immer noch hungrig war, auch wenn er sich voll gestopft hatte und schläfrig war.
    Das rhythmische Trommeln auf dem Wasser war zunehmend lauter geworden, bis es plötzlich abbrach. Beauty hob den Kopf und sah, dass das riesige chinesische Schiff mitten im Hafen ankerte. Ein wahrer Riese, ganz gewiss. Langsam schritt er auf dem Kai dahin, um es näher in Augenschein zu nehmen.
    Die ›Tai-Phung‹ war ein Segelschiff, aber das seltsamste, das Beauty jemals gesehen hatte. Es besaß sieben Masten, jeder dreißig Meter hoch, auf einem Oberdeck von hundert Metern Länge. An jeden Mast waren dreizehn Vampire übereinander angekettet, viele mit gespreizten Schwingen, die Hände mit Ringen an den Dwarsbäumen befestigt.
    Beauty war fassungslos. Der Hafenmeister war hinausgefahren und schrie dem Maat, einem Affen, zu, das Schiff müsse wegen des Riffs weiter südlich im Hafen ankern. Der Maat schrie seinerseits den angeketteten Vampiren Befehle zu. Die Vampire, deren Flügel ungefesselt waren, begannen heftig zu flattern, diejenigen mit gespreizten, aber gefesselten Füßen drehten sich auf Befehl in die verlangten Richtungen, und langsam segelte das große Schiff zu seinem neuen Ankerplatz.
    Manche der Vampire hingen regungslos an Ketten, die Brust und Beine an den Mast fesselten, während die Köpfe schlaff auf den Brustbeinen lagen. Zwei blutrote Drachenlibellen, einein-viertel Meter lang, huschten hin und her und schwebten vor jedem der scheinbar bewusstlosen Vampire, um Becher voll Blut an die stummen Lippen zu halten, mit, wie es schien, kleinen Menschenhänden. Manche der Vampire reagierten darauf, tranken die belebende Flüssigkeit und wurden wach; andere regten sich nicht.
    An Deck herrschte reges Treiben. Die Besatzung lief umher, zog Leinen auf, öffnete Luken, räumte auf. Große, üppige Pfauen stolzierten am Bug und betrachteten neugierig die Umgebung. Am Ruder stand eine achtarmige Shiwa; ein fast zwei Meter großer Papagei schrie vom Achterdeck Befehle. Drei Männer mit Elefantenköpfen warfen ein Schwimmfloß über Bord; Strickleitern wurden über die Bordwand gekippt, und bald luden Dutzende von Matrosen – Männer mit geweihartigen Elchköpfen, Rattenköpfen oder Elefantenschädeln – Kisten auf das Floß. Affen huschten an den Masten auf und ab, lösten die Ketten der

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