Neues Glück für Gisela
schlugen ihr die Erinnerungen entgegen mit jedem Stück: die zierlichen Leinen-Bettücher, die hübschen Kissen mit Hohlsaum, die soliden Frottierhandtücher, massenhaft rot- und blaukarierte Küchentücher. Mama hatte die Anzahl und Qualität bestimmt, und sie hatte darin sehr großzügige Begriffe. Ein Fräulein Ryssel wurde nicht nur mit den notdürftigsten Sachen in die Ehe geschickt, und in das Haus Sund kam man nicht mit sechs Tischtüchern und sechs Handtüchern.
Es war eine wunderbare, aufregende und glückliche Zeit damals, als sie mit Mama all diese Einkäufe gemacht hatte. Es war herrlich, dann bei der Nähmaschine zu sitzen, die langen Nähte zu nähen und den Namen zu sticken.
Tücher, weiße Damasttischtücher, gestickte Kaffeetücher, kleine Deckchen, kleine Servietten.
Und da, in dem großen Paket, Vorhänge. Vorhänge für eine Fünfzimmerwohnung.
Gisela maß aus, überlegte, organisierte.
Das kleine Beben um die Mundwinkel, das sich gezeigt hatte, als sie die Truhe öffnete, war nun verschwunden. Mit ruhigen, sicheren Händen zählte und sortierte sie, teilte ein, disponierte.
Sie ordnete alles in Haufen und schrieb Zettel zu jedem.
Vierundzwanzig Bettücher, vierundzwanzig große Kissenbezüge, vierundzwanzig Frottierhandtücher und so weiter.
Dann wurde alles wieder in die Truhe verpackt.
Zuoberst lag ein kurzer Brief.
Ja, er war wirklich sehr kurz. Denn nachdem Gisela auch die dritte Fassung weggeworfen hatte, schrieb sie nur eine einzige Zeile:
„Sie haben doch gesagt, daß ich es darf?
Mit bestem Gruß Gisela Ryssel.“
Am nächsten Tag ging die Truhe nach Siebeneichen ab.
Besuch aus Siebeneichen
Gisela wunderte sich über sich selber. Nicht zu begreifen, daß die kurzen Nachmittagsstunden im Knabenheim, die paar Stunden des Zusammenseins mit dem jungen Leiter des Heims ihre Gedanken derart ausfüllen konnten! Es war geradezu ein Sonnenstrahl in ihr Leben eingefallen, ein Sonnenstrahl aus zwei ehrlichen, fröhlichen blauen Augen und von einer ruhigen, warmen Stimme. Und das bloß auch diese eine Stunde…
Gisela war froher zumute als seit langem.
Sie ertappte sich dabei, daß sie immer wieder an Siebeneichen dachte, an all die Dinge, die man dort machen konnte und wie man sie machen sollte. Sie brannte darauf, wieder dahinzufahren, aber es ging wohl nicht an, sich allzu eifrig zu zeigen.
Dann klingelte es eines Nachmittags an ihrer Tür. Das gehörte zu den Seltenheiten. Es gab nicht viele Menschen, die etwas bei ihr wollten.
Das Herz schlug ihr bis zum Halse, und sie beeilte sich zu öffnen.
Als sie ihn da stehen sah, wußte sie, daß es dies war, was sie so brennend erhofft und gewünscht hatte. „Störe ich auch nicht, Fräulein Ryssel?“
„Nein, durchaus nicht – nicht die Spur, im Gegenteil. Kommen Sie herein, Herr Stranden. Und nochmals Dank für Ihre Führung durchs Heim.“
Seine breite, starke Hand schloß sich warm um die ihre. „Es ist wohl an mir, zu danken, und deshalb bin ich gekommen.“
„Aber ich bitte Sie, mein Lieber – kommen Sie doch herein.“
Nun saß sie ihm also gerade gegenüber, in ihrem eigenen Heim. Sie war froh, weil sie den einfachen blauen Pullover anhatte, von dem sie wußte, daß er sie kleidete und in keiner Weise auffallend elegant aussah, und sie war froh, weil sie frischgewaschenes, glänzendes Haar hatte.
Er blickte sie lächelnd an.
„Man könnte fast glauben, daß Sie unseren Wäscheschrank inspiziert haben, Fräulein Ryssel“, sagte er. „Wenn jemals eine Gabe direkt vom Himmel gekommen ist, so ist es diese. Und noch dazu mit gestickten S. Das ist etwas anderes als die roten Kreuzstich-S, welche Tante Marthe macht.“
„Tante Marthe?“
„Tante Marthe ist unser Trost, wenn Hosenböden geflickt, Socken gestopft und Bettücher ausgebessert werden müssen“, erklärte Stranden. „Tante Marthe ist zwischen sechzig und siebzig und nicht gut zu Fuß, aber sie hat geschickte Hände und haust in einem kleinen Raum im ersten Stock, im Nähzimmer, wie wir es nennen. Und wenn Sie den Haufen Zeug gesehen hätten, den Tante Marthe jeden Tag ausgebessert hat, würden Sie verziehen haben, daß die Stopferei nicht immer vollkommen ist…“ Gisela lachte.
„Aber ich bitte Sie, ich habe doch nichts zu verzeihen.“
„Aber Sie hätten Tante Marthe sehen müssen, als sie Ihre Sendung vorgeführt bekam. Es hat nicht viel gefehlt, und sie hätte öffentlich losgeheult. Ich soll also danken und Sie segnen und alle guten
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