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Neues Glück für Gisela

Neues Glück für Gisela

Titel: Neues Glück für Gisela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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zufällig Rolf?“
    Jetzt lachte Gisela ihm mitten ins Gesicht.
    „Ja, stimmt. Rolf ließ nämlich ein Wort fallen, daß Fräulein Ryssel jetzt einfach prima geworden sei. Entschuldigen Sie meine Indiskretion, aber ich dachte, es würde Sie freuen, dies zu hören.“ Gisela nickte.
    „Das tut es auch. Ja, Sie haben recht. Die ersten Wochen waren scheußlich schwer. Ich weiß nicht einmal, was verändert ist, aber jedenfalls bin ich selbst fröhlicher, und was Sie gesagt haben, daß die Jungen keine Sentimentalität lieben, das hat vielleicht auch auf mich eingewirkt. Ich habe Kinder so schrecklich gern, verstehen Sie…“
    „Darüber bin ich mir vollkommen klar. Und Sie dürfen mich nicht mißverstehen. Glauben Sie nicht, daß Jungen von zwölf bis vierzehn Jahren nicht auch Liebe brauchen? Sie brauchen sogar sehr viel Liebe. Es ist bloß die Äußerungsform der Liebe, mit der man vorsichtig sein muß.“
    „Das begreife ich.“
    „Aber wenn Sie mögen, kommen Sie doch wieder einen Tag zu uns heraus und plaudern Sie mit unseren Kleinsten. Wir haben ja Kinder von zwei Jahren aufwärts. Genauer gesagt, zwei von zwei Jahren, einen Dreijährigen, drei von vier Jahren und zwei von fünf und sechs. Das ist alles, was wir an Jungen unter dem schulpflichtigen Alter haben. Und wenn Sie die begrüßen wollen, so brauchen Sie nicht diplomatisch oder vorsichtig zu sein, die Kleinsten brauchen ja eine unverhüllte mütterliche Zärtlichkeit so notwendig wie der Fisch das Wasser.“ Einen Augenblick lang flog ein kleiner Schatten über Willi Strandens Gesicht. Dann erzählte er weiter.
    „Wir haben eine Kinderschwester, sie ist geschickt und gewissenhaft, aber es reicht bei ihr nur zur Pflege des Körpers, zu mehr nicht. Leider. Und doch sollte man, gerade bei den Kleinen, auch etwas für ihre Seelchen tun. Also, wenn Sie Lust haben, Ihrer Liebe zu den Kindern freien Lauf zu lassen, so…“
    Giselas Augen sahen ihn leuchtend an: „Wann darf ich kommen?“
    „Wann Sie wollen. Und so oft Sie wollen. Ich glaube…“ Willi Strandens Augen waren auf sie geheftet, ernst und forschend: „Ich glaube, daß gerade Sie der Mensch sind, den wir so nötig haben.“
    Als Gisela die Tür hinter Willi Stranden geschlossen hatte, ging sie ins Zimmer zurück. Mit einem kleinen Lächeln blieb sie stehen, mit dem Blick auf den benutzten Kaffeetisch, den Zigarettenstummeln, den Kuchenresten.
    Es war so wohltuend, mit Willi Stranden zu sprechen! Seine Stimme war so ruhig und warm. Und seine Augen! Wie verwundert hatten sie ausgesehen, als sie sich ein unnützes Wesen nannte. Aber das war sie doch! Gewiß, ihre theoretischen Kenntnisse waren in Ordnung, unfruchtbare, trockene Kenntnisse. Machten die sie zu einem nützlichen Menschen? Sie hatte Kinder gern, gewiß. Und vielleicht hatte Willi Stranden sie durchschaut, als er sie aufforderte, herauszukommen und die kleinsten Pfleglinge zu begrüßen. Zu denen paßte sie, für die konnte sie etwas sein. Aber die größeren Kinder auf der Schule, die Jungen in ihrer eigenen Klasse, die Mädchen in den anderen Klassen, die sie auch unterrichtete, mit denen war sie noch nicht so ganz auf derselben Wellenlänge.
    Gisela setzte sich, zündete eine neue Zigarette an und goß sich den Rest des lauwarm gewordenen Kaffees ein.
    Gedanken und Probleme arbeiteten hinter ihrer Stirn und verlangten, durchdacht zu werden.
    Warum hatte sie eigentlich diesen Beruf erwählt? Anfangs hatte sie Philologie studiert, nur aus dem Grund, etwas zu tun zu haben. Später studierte sie, um etwas zu haben, worin sie ihren Kummer begraben konnte. Im Grunde hatte sie also nie vorgehabt, ihr Leben einer Schule zu widmen. War sie überhaupt dafür geeignet?
    Sie dachte an den fehlenden Kontakt mit den Schülern, dachte auch daran, daß sie eigentlich auch außerhalb des Lehrerkreises stand. Was hatte sie also zur Schule hingetrieben? Liebe zu Kindern? Jawohl. Aber warum war sie dann nicht lieber Kindergärtnerin oder Säuglingsschwester geworden?
    Über diese Fragen hatte sie nie nachgedacht. Ihr Leben war mit anderen Dingen angefüllt gewesen. Sie hatte den Zufall walten lassen, und dafür mußte sie nun bezahlen. Jetzt saß sie in einer Stellung, die nicht für sie paßte.
    Das war unrecht gegen sie selber, aber noch bedenklicher gegenüber den ihr anvertrauten Kindern, für deren Ausbildung sie die Verantwortung trug.
    Aber warum hatte sie das nie zuvor so gefühlt wie heute? Und was war es mit diesem Mann, diesem

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