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Neugier und Übermut (German Edition)

Neugier und Übermut (German Edition)

Titel: Neugier und Übermut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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Journalisten angedeutet, mit Schröder gehe es bergab. Er, Scharping, stehe als Nachfolger bereit. Ich sagte zu Scharping, es sei gefährlich wenn er solche Dinge verbreite. Es wäre klüger, er hielte sich zurück.
    Wir haben sehr viel Rotwein getrunken.
    Seine Sicherheitsleute saßen am Nebentisch, und wir tagten immer noch, obwohl schon alle übrigen Gäste gegangen waren.
    Scharping erläuterte mir schließlich, warum Schröder nur noch ein paar Monate als Kanzler habe. Im Frühjahr werde die SPD die Wahl in Schleswig Holstein verlieren, und dann würde die Fraktion in Berlin rebellieren. Denn die Abgeordneten hätten Angst vor dem Abstieg der SPD und bangten um ihre eigene Zukunft. Dann würde er, Rudolf Scharping, zum Kanzler gewählt. Und er erklärte mir zu meiner Verblüffung, er werde dann erst einmal eine Denkpause machen und eine Politikpause von sechs Wochen festlegen. Sechs Wochen lang würde gearbeitet, ohne alles gleich in die Öffentlichkeit zu tragen.
    Wir hatten wirklich viel getrunken.
    Ich fragte Scharping, ob er wirklich glaube, die Opposition würde sechs Wochen still halten. Scharping glaubte es.
    Aber Schröder wurde gerettet.
    Einerseits durch eigenes Handeln, anderseits aber durch Helmut Kohl.

    Plötzlich ertönten begeisterte »Gerhard, Gerhard«-Rufe. Schröder hatte durch eigenes Eingreifen geholfen, die Pleite des Baukonzerns Philipp Holzmann aufzuschieben. Ich erinnere mich an ein Tagesthemeninterview, das ich in jenen Tagen mit ihm führte. Nach der Flucht von Oskar Lafontaine aus seinen Ämtern, war Schröder auch Parteivorsitzender. In der Partei brodelte es. Ich fragte ihn knapp: »Haben Sie als Parteivorsitzender versagt?« Er antwortete sachlich, versagt habe er vielleicht nicht, aber er gab zu, Fehler gemacht zu haben.
    Zwei Jahre später habe ich die Frage in ähnlicher Form der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel gestellt. Damals kämpften noch Mitglieder des »Andenpakts«, zu dem auch Roland Koch gehörte, um die Macht in der Partei. Koch vertrat dabei mit seiner Kampagne gegen Immigranten in Hessen die Rechten. Nun hatte die CDU gerade 4,5 Prozentpunkte bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg verloren, während die Partei Rechtsstaatlicher Offensive des hart rechten Ronald Schill aus dem Stand 19,5 Prozent gewann und 25 Abgeordnetensitze errang. Zwar konnte jetzt die CDU mit Schill koalieren und nun seit Ewigkeiten mal wieder den Bürgermeister stellen, sie kam zwar an die Macht, aber die Zahlen sagten trotzdem: die CDU hatte kräftig an Stimmen eingebüßt. Also fragte ich die CDUVorsitzende Merkel, sicher ein wenig nassforsch, ob sie die richtige Parteivorsitzende sei, unter Roland Koch als Vorsitzendem hätte die CDU sicher nicht so viel an die Rechtspopulisten verloren.
    Angela Merkel war über die Frage nicht erfreut, um es einmal milde zu sagen. Das konnte man sehen. Der ist ja die Kinnlade runtergefallen, sagte einer der Kollegen in der nächsten Redaktionskonferenz.
    Aber Angela Merkel hat sich auch postwendend gerächt. Als ich zwei Wochen später in einem Kommentar für das Magazin Max schrieb, mich auf einen Artikel der indischen Autorin Arundhati Roy beziehend, George W. Bush, der von einem Kreuzzug gegen die Terroristen sprach, zeige damit die gleichen Denkstrukturen auf wie Osama Bin Laden, der einen Kreuzzug gegen den Westen führen wolle, forderte sie, was dann zu einer Schlagzeile in BIL D gerann: »TV-Verbot« für Ulrich Wickert. Gut, ich hatte verstanden. Und ich bin ja nicht nachtragend. Sie aber auch nicht. Zu meinem nächsten runden Geburtstag hat Angela Merkel mir, als wäre nichts gewesen, einen Brief mit Glückwünschen geschickt.

    Einerseits wurde Gerhard Schröder durch seinen Auftritt bei Philipp Holzmann gerettet, anderseits durch die Schwarzgeld- Affäre von Helmut Kohl, die im Dezember 1999 aufflog. In der Folge verloren viele CDU-Chefs ihre Positionen und Volker Rühe auch die Wahl in Schleswig-Holstein, wo er gute Chancen gehabt hatte, Ministerpräsident zu werden. Und Scharping wurde nicht Schröders Nachfolger als Kanzler, sondern war bald darauf nicht mehr im Amt. Er hatte sich in Kristina Gräfin Pilati verliebt und seine Beziehung öffentlich zur Schau getragen, was ihm eine schlechte Presse einbrachte. Eines Tages rief er mich an und bat um Rat. Ich sagte ihm: »Zieh die Pilati aus dem Verkehr!« Er tat so, als sähe er das ein. Aber er handelte nicht danach. Stattdessen ließ er sich und seine Freundin im Pool auf Mallorca

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