Neugier und Übermut (German Edition)
Essen mit Schröder sehen. Da hätten seine Gorillas keine Macht mehr über mich.
Am Sonntagmorgen brachte mir der Portier des Domhotels meinen Leihwagen, in dem es nicht nur saunawarm war, sondern auch stark nach Trüffeln roch. Ich fuhr nach Oberwinter, um bei meinem Vater zu übernachten. Das Restaurant Rolandsbogen lag nur drei Kilometer entfernt.
Das Restaurant krönt einen bewaldeten Hügel. Die Zufahrten waren abgesperrt. Im Wald versteckten sich Hundertschaften, um den amerikanischen Präsidenten zu schützen.
Es würde ein ganz privates Essen sein, hatte mir Schröder versprochen. An einem Tisch würden die beiden Paare sitzen, am anderen Tisch jeweils ein Referent der »Chefs« und drei oder vier Journalisten. Kurt Kister von der SZ, Günter Bannas von der FAZ und Graf Nayhauß von BIL D und ich.
Das Ehepaar Schröder kam gutgelaunt. Der Kanzler rauchte eine Zigarette, wir flachsten rum, als ein amerikanischer Protokollbeamter erschien. Wer je in die USA eingereist ist, der weiß wie knallhart und humorlos amerikanische Zollbeamte sind. Zur eigenen Sicherheit verziehen sie keine Miene. So auch dieser Protokollbeamte. Er sagte laut: »The President and Miss Clinton are coming. No cigarettes!« Und brav machte der deutsche Bundeskanzler seine Zigarette aus. In Gegenwart von Hillary Clinton ist rauchen nicht erlaubt. Ich dachte an Helmut Schmidt. Der raucht sogar heute noch im Zug.
Und dann kam Bill Clinton.
Er beeindruckte mich mit seiner Präsenz. Ich zeigte ihm den Drachenfels und erklärte, dort drüben soll eine deutsche Sagenfigur namens Siegfried einen Drachen getötet und in seinem Blut gebadet haben, was ihn unverwundbar machte. Außer an einer Stelle, wo ein Eichenblatt hingefallen ist, sagte Clinton, das wisse er. Schon als kleiner Junge habe er die Opern von Wagner zu Hause auf Schallplatte gehört. Wir unterhielten uns über Musik. Und er, Clinton, der Saxophon spielt und ein Jahr in Großbritannien studiert hat, sagte, er hätte eigentlich lieber in Frankreich studiert. Dort hätte er auch klassische Musik, etwa den Bolero von Ravel, spielen können.
Und dann fragte er mich, ob ich den Film The Comedian Harmonists von Joseph Vilsmaier kenne? Er habe über den Film eine gute Besprechung in der New York Times gelesen und ihn dann im Kinoraum des Weißen Hauses angesehen. Dadurch habe er viel über Deutschland und das Dritte Reich gelernt.
Während des Essens fragte mich der persönliche Referent von Clinton, ob es im Kanzleramt auch Praktikantinnen gebe. Nein, antwortete ich. Aber Schröder sei schon zum vierten Mal verheiratet! Pssscchht machte der Referent und verdrehte die Augen.
Wir aßen Wachtelbrüstchen »an« Trüffeljus. Ich dachte an meine Trüffel im Auto. Ob die noch genießbar sein werden, wenn ich zurück in Hamburg bin? Dann gab es Hummersuppe, Störfilet mit Spargelspitzen und eine Mousse von Holunder und weißer Schokolade. Dazu tranken wir Weine aus dem Rheingau und von der Nahe.
Am Tisch von Schröder und Clinton wurde viel gelacht. Die Herren erzählten sich Witze.
Gegen halb elf gingen die Clintons dann.
Schröder lud uns an seinen Tisch, rief dem Wirt zu, er solle endlich mal Zigarren bringen und Kräftiges zum Trinken. Ich habe mich etwa um halb eins als Erster verabschiedet, denn mein Flug nach Berlin ging gegen sieben Uhr.
Ich hatte nur Handgepäck. Meine Reisetasche und das kleine Paket mit den Trüffeln.
Beim Einsteigen traf ich den ehemaligen FDP-Innenminister Gerhard Baum. Er fragte mich, was ich denn in dem Paket mit mir trage, das so nach Trüffeln rieche. Trüffel? Er lachte. Dann erzählte er, dass er früher, wenn er in den Urlaub gereist sei, in arabischen Ländern schon mal einen Teppich gekauft habe. Den habe er in seinen Koffer gesteckt. Dann habe er alle schmutzige Wäsche in ein Paket geschnürt. Wenn er zum Zoll kam, wurde nie gefragt, was im Koffer ist, sondern immer nach dem Inhalt des Pakets. Schmutzige Wäsche, sagte er wahrheitsgemäß, was die Zöllner nie glaubten. Sie forderten ihn immer auf, das Paket zu öffnen. Aber es war tatsächlich immer nur schmutzige Wäsche.
Als ich am Montagabend in meiner Küche das Paket öffnete, waren die beiden Trüffeln völlig mit weißem Schimmel überzogen, also ungenießbar.
Ein Jahr nach Amtsantritt war Gerhard Schröder bei allen unten durch. Rudolf Scharping kam nach Hamburg, und wir gingen abends bei Paolino an der Außenalster essen. Ein paar Tage vorher hatte er bei einer Reise mit
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