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Neugier und Übermut (German Edition)

Neugier und Übermut (German Edition)

Titel: Neugier und Übermut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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immer um 14 Uhr stattfindet, bekannt, dass Monitor am darauffolgenden Montag ein Interview mit Ernest F. Hauser senden wolle. An der Schaltkonferenz nehmen immer auch Redakteure des BR teil. Und sofort wusste die CSU Bescheid.
    Ich flog am Freitagabend nach London, um Hauser dort am Samstag zu treffen. Noch vor dem Interview schickte mir der Ster ein Fax mit dem Antrag auf Gegendarstellung der CSU. So machte ich zwei Interviews: eines, in der die Gegendarstellung berücksichtigt wurde, und ein zweites nur nach journalistischen Kriterien.

    Zurück im WDR schnitt ich die beiden Berichte parallel.
    Am Montag kam auch Werner Höfer, inzwischen Fernsehdirektor des WDR, zur redaktionellen Abnahme. Er segnete beide Fassungen ab.
    In der Schaltkonferenz um 14 Uhr meldete sich dann der BR: Es sei eine Einstweilige Verfügung der CSU gegen den Monitor- Bericht beim BR eingereicht worden. Ob der WDR sich daran halten werde?
    Nein, denn die Einstweilige Verfügung hat nur dann rechtliche Wirkung, wenn sie in Köln beim WDR abgegeben worden ist. Und Fernsehdirektor Werner Höfer sagte: Um 17 Uhr ist Dienstschluss. Dann werden bei allen Eingängen des WDR die Gitter runtergelassen. Sollte ein Gerichtsvollzieher aus München kommen, werde er nur in Begleitung der Polizei eingelassen. Bis zu Beginn der Sendung war das nicht geschehen.
    Um 20.15 Uhr, direkt nach der Tagesschau, moderierte ich den Bericht an. Allerdings – den »entschärften« Film. Während der lief, kam ein Polizist mit einem bayerischen Gerichtsvollzieher ins Studio. Ich erklärte, nicht berechtigt zu sein, das Papier anzunehmen. Er möge bitte dem Aufnahmeleiter folgen, der führe ihn zum Justiziariat. Dort, das wussten wir natürlich, war längst niemand mehr. Aber der Weg dorthin durch mehrere Häuser des WDR ist lang. Ich machte gerade die Abmoderation, und der nächste Bericht lief. Da öffnete sich die Studiotür wieder, und der Gerichtsvollzieher legte die Verfügung auf den Studioboden. Das gilt offensichtlich im Notfall auch als juristisch »zugestellt«.
    Wir waren alle sehr stolz auf Werner Höfer. Der Fernsehdirektor stand hinter seinen Journalisten. Und das nicht nur in diesem Fall.
    Strauß beantragte nun bei Gericht, dem WDR die in der einstweiligen Verfügung angedrohte Strafe bis zu 500 000 Mark, ersatzweise bis zu sechs Monaten Haft, aufzuerlegen und schickte dem WDR eine Gegendarstellung.
    Ich flog unterdessen nach Washington, um zu recherchieren, wie der US-Senat und die amerikanische Börsenaufsicht die Aussagen Ernest F. Hausers bewerteten und was sie über die Bestechungspraktiken von Lockheed herausgefunden hatten.
    Die nächste Sendung Monitor war für den 19.Januar vorgesehen.
    Casdorff fuhr nun auch schweres Geschütz auf. Er drohte, er werde die Programmverantwortung für diese Sendung ablehnen, wenn die CSU nicht den Bestrafungsantrag zurückziehe und sich bereit erkläre klarzumachen, dass die gewünschte Gegendarstellung ausschließlich Äußerungen des »amerikanischen Geschäftsmannes Ernest F. Hauser in einem Monitor-Interview betrifft, nicht aber Recherchen der Redaktion«. Die CSU willigte ein.
    Am Samstag vor der Sendung landete ich morgens in Köln, begab mich sofort in den Schneideraum und setzte mich an meinen Bericht über »Bestechung mit Millionen – US-Senat ermittelt gegen Industriekonzerne«. Ich hatte den Ablauf und den Text während der acht Stunden im Flugzeug von Washington nach Frankfurt weitgehend ausgearbeitet. Fernsehdirektor Werner Höfer hatte angeordnet, dass Manfred Pütz, ein Mitarbeiter des Justitiariats, sich den Beitrag am Samstagabend ansehen sollte. Pütz kam in den Schneideraum und sah sich den Film an. Wir kannten uns schon lange, vom Jura-Studium in Bonn.
    Er rief Werner Höfer an und sagte: »Ich sehe in Wickerts Bericht keinen Widerspruch zu der Einstweiligen Verfügung der CSU.«
    Werner Höfer fragte: »Und welche Meinung wird der Justitiar des Hauses vertreten?«
    Der Justitiar wurde der CDU zugerechnet.
    Pütz: »Der wäre nicht meiner Meinung. Er würde wohl in dem Bericht einen Verstoß gegen die richterliche Anordnung sehen.«
    Daraufhin bat Höfer, der Justitiar möge am Montag früh um zehn Uhr in den Schneideraum kommen. Dort sahen sich Fernsehdirektor, Justitiar und Redaktionsleiter Casdorff den Bericht an. Höfer fragte den Justitiar nach seiner Meinung. Der Justitiar lehnte den Bericht ab. Da stellte ihm Höfer die Frage: »Welche Bedeutung hat die Meinung des Justitiars nach der

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