NeuGier
»Und dann hat’s gequalmt. Ich müsste in eine Werkstatt, aber noch viel dringender muss ich zu einem Termin.«
Er verzog die Miene in Abschätzung. »Keine Ahnung. Das mit dem Knall und dem Dampf kann ja alles Mögliche bedeuten. Kann dir da nich helfen. Kann dich höchstens ’n Stück mitnehmen. Zu ’ner Werkstatt oder wo dein Termin is.«
»San Francisco?« Kate ließ es wie eine Frage klingen.
»Ah ja, kein Thema. Muss da auch hin. Spring rein!«
Sich weiter in ihre Rolle hineinspielend, zeigte sie Erleichterung, zog die Tür auf und nahm auf dem Beifahrersitz Platz.
»Jackson«, ließ er sie wissen, setzte die Sonnenbrille auf und fuhr los. Während Kate bei sich selbst noch immer das Gefühl hatte zu spielen, wirkte er ganz unbemüht. Seine Stimme war anders, seine Körperhaltung auch, und sein Dialekt wurde durch den Zahnstocher, auf dem er kaute, verstärkt.
Im versucht locker-flockigen, nach wie vor dankbaren Tonfall stellte sie sich ihm vor: »Ich bin Kate.«
»Okay, Kate, erzähl mal.« Geräuschvoll zog er die Nase hoch. »Auf was für ’n Termin gondele ich dich?«
»Ich muss zu einer Präsentation«, fiel ihr spontan ein. Wollte er ihr auch als Mr Ungehobelt begegnen, bedeutete das für sie noch lange nicht, dass sie eine andere Persönlichkeit annahm.
»’ne Präsentation?«
»Schmuck, den ich entwerfe.«
»Echt jetz’?« Durch einen kräftigen Tritt auf die Bremse brachte Jackson den Volvo zum Stehen. Er wies mit dem Daumen nach hinten. »Wo iss’n dieser Schmuck? Etwa noch deiner Karre?«
Kate, die sich erschreckt hatte, winkte ab und verkniff sich ein Grinsen. »Nein, der ist längst beim Juwelier.«
»Dann is’ ja gut.« Er fuhr weiter und schaltete das Radio ein. Den aktuellen Song von Eric Clapton fand Jackson wohl unpassend und startete den Suchlauf. Ein Countrysender gefiel ihm besser. Er drehte die Lautstärke sogar ein bisschen auf und klopfte im Takt auf das Lenkrad.
»Sonst was Wichtiges in der Karre?« Er ließ den Zahnstocher zum anderen Mundwinkel wandern. »Nich’, dass dir’s sonst wann einfällt und wir ’n Weg zurück müssen. Würde ziemlich teuer werden.«
Auf seine letzte Behauptung zog Kate die Brauen hoch. »Das würde ziemlich teuer werden? Kostet diese Fahrt hier etwa auch etwas?«
»Ja logisch.« Um nicht zu schmunzeln, biss er fester auf den Zahnstocher. »Ein Dollar pro Meile, wie ’m Cab. Verbrauch ja mehr Diesel, wenn du mitfährst. Das iss’n Problem?«
»Einen Dollar?«, empörte sich Kate. »Pro Meile? Das ist kein Problem, sondern ein Witz!«
»Ich scherz nich’, Lady.« Er stoppte den Wagen ein zweites Mal und wandte sich ihr zu. Die Fahrigkeit, mit der er sich die Sonnenbrille abzog, wirkte beängstigend echt, wie auch die Verärgerung in seinen grünen Augen. »Zeig ma, was du an Barem hast oder geh zu Fuß nach San Francisco.«
Kate kramte ihr Portemonnaie aus der Handtasche, öffnete es und hielt es ihm hin. »Ganze fünf Dollar habe ich dabei. Aber wenn wir in San Francisco sind, kannst du an einer Bank halten, damit ich den fälligen Betrag abhebe.« Letzteres spie sie bissig aus und war stolz auf sich.
»Is für die Strecke bis hier«, brummte er, zog die Dollarnote aus dem Portemonnaie und schob sie in seine Jackentasche. »Dein Vorschlag is mir zu heiß. Weiß ich, ob dein Konto gedeckt is?«
»Dann schlag etwas anderes vor!«, grollte Kate. »Aber lass uns endlich weiterfahren. Ich will heute noch ankommen.«
Statt wieder Gas zu geben, schaltete er den Motor ab. Er pfefferte die Sonnenbrille auf das Armaturenbrett und lehnte den Arm auf Kates Rückenlehne. »Musst mir halt was anderes geben, pro gefahrener Meile.«
An dieser Stelle hätte Kate ihn vielleicht ohrfeigen und aussteigen sollen, doch sie verschränkte die Arme und trotzte: »Etwas anderes. Und an was denkst du da?«
»Deine Jacke, zum Beispiel, die wär in ’ner Meile fällig. Deine Schuhe, und zwar alle beide, nach der nächsten Meile. So machen wir weiter, bis wir am Ziel sind.«
***
Acht Meilen später war Kate ihre Jacke, die Schuhe, ihr Tuch, ihre Jeans, ihr Shirt, ihre Ohrstecker, ihren Ring und ihre Haarklemme los. Jackson bedankte sich für jedes Teil, das sie auf seinen Rücksitz schmiss, und hatte nun doch Mühe, den Unsympathen, den er mimte, aufrechtzuhalten. Immer öfter kniff er die Lippen zusammen und konnte den Spaß, den ihr verrücktes Spiel und Kates aufgesetzte Widerspenstigkeit ihm bereiteten, doch nicht verbergen. Es kostete Kate
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