Neuigkeiten aus dem Paradies: Ansichten eines Sizilianers
einjagen wollen. Zur Bestätigung fügt er hinzu, er würde sich niemals »mit so einem die Hände schmutzig machen«.
Schlimme Zeiten für die letzten Leoparden, die sich von den kleinen Leuten beleidigen lassen und sich mit ihnen Schießereien liefern müssen. Der alte Soldat in meiner Heimatstadt hatte es vorausgesehen. Erlauben Sie, Baron, dass ich Ihnen aus den Niederungen meiner kleinbürgerlichen Existenz heraus eine Frage stelle: Finden Sie nicht, dass Ihre Tat, die gottlob ohne Blutvergießen ausgegangen ist, einen groben Stilbruch darstellt? »Er hätte ihn bis aufs Blut auspeitschen lassen sollen«, wird der Kommentar von manchem Ihrer Ahnen im Jenseits lauten.
In seinem Ehrenkodex von 1895 schreibt Dentale-Diaz (und mit ihm Gelli, nicht der Logenmeister, sondern Jacopo Gelli, der alles über Duelle wusste), ein Adliger dürfe niemals mit einer Person niedrigeren Standes fechten (oder eine Feuerwaffe benutzen, was auf dasselbe hinausläuft). Tut mir Leid, Baron, aber Sie ernten zweifache Missbilligung: von der Arbeiterklasse (immer nur Protest!) und vom Adel. Sie waren in Ihrer Jugend ein exzellenter Rennfahrer, doch Sie müssen zugeben, dass Sie mittlerweile weder mit den vergangenen noch mit den heutigen Zeiten Schritt halten können. Ihre Motoren sind Schrott.
JE HEISSER, JE LIEBER
Seit zwei oder drei Tagen, seit es so heiß ist, gibt es keine Nachrichtensendung ohne einen Sprecher mit Bußpredigergesicht, der uns erzählt, die Schuld liege ganz allein bei uns, wir bräuchten also nicht zu jammern. Ihr wolltet mit Kohle heizen? Nach Lust und Laune mit Gas kochen? Dann ertragt die Hitze und haltet den Mund. Das sei der Treibhauseffekt, erklärt der Sprecher und blickt drein wie ein Lehrer, der uns ein Ungenügend in Betragen erteilt: Die industrielle Entwicklung hat den Schaden verursacht. Ich besitze kein Industrieunternehmen, brauche Gas nur zum Kaffeekochen und frage mich: Stimmt das überhaupt, was uns die Bußprediger da erzählen? Auf unserer Insel gibt es ein uraltes Sprichwort: Giugnettu, ’nzoccu haju iettu, was übersetzt in etwa heißt: »Sobald der erste Juni tagt, ist auf dem Feld der Bauer nackt«, und das wiederum bedeutet, der Bauer, der in den ersten Junitagen auf dem Feld arbeitet, muss alles, was er am Leibe trägt, ausziehen, weil er bei der Hitze sonst gar nichts mehr schafft.
Und wie finden wir das? Als das bäuerliche Leben dieses Sprichwort prägte, gab es noch keine qualmenden Schlote, und der Küchenherd wurde (wenn überhaupt) einmal in der Woche geheizt, um den Sonntagsbraten zuzubereiten. »Ja klar!«, wird der ewige Besserwisser sagen. »Du zitierst ein Sprichwort aus dem tiefen Süden, aus dem du stammst, das sieht man ja daran, wie du schreibst. Wo sonst soll es heiß sein, wenn nicht dort?« Na gut, das gilt nicht.
Lassen wir also einen Ausländer zu Wort kommen. »Aber keinen Schweden!«, wird der Besserwisser sagen und sich für besonders schlau halten. Der Ausländer, den ich zitieren will, war Franzose und hieß Henri Beyle, nannte sich aber Stendhal. Er liebte unser Land, und am liebsten spazierte er durch Rom. Wir schreiben das Jahr 1828, und zwar den 2. Juni. Stendhal beginnt sein Tagebuch so: »Es ist drückend heiß. Das Bedürfnis nach ein wenig Kühle hat uns in den Vatikan zurückgeführt.« An diesem Tag erholt er sich in Raffaels Stanzen. Am 5. Juni hat sich das Blatt nicht gewendet, und unser Freund zieht sich in den Park einer Patriziervilla zurück, um in den Genuss von ein wenig Schatten zu kommen. Ich muss gleich vorbauen: Es handelte sich nicht um die Hitze eines ungewöhnlich heißen Jahres. Auch sechs Jahre später geht es um Rom, als Stendhal in sein Tagebuch notiert: »Bei der Hitze kann man nicht denken.« Und die folgende Anmerkung klingt, als hätte er sich in der Wüste verirrt: »Regen, endlich!«
Dabei will ich es bewenden lassen, aber nicht weil ich keine weiteren Zeugnisse anführen könnte, sondern weil ich es bei der momentanen Hitze nicht schaffe, in meinen Büchern zu blättern. Aber wenn man es recht bedenkt – warum regen sich eigentlich alle so über die Hitze auf? Mir zum Beispiel geht es bestens, wenn es heiß ist. Ich habe mich einmal mit einer Eidechse um die Wette nicht bewegt und gewonnen. Mich nehme ich also aus. Aber ich frage Sie: Wenn es nicht so heiß wäre, würden Sie dann das Abendlüftchen, das durch ein berühmtes römisches Lied unsterblichen Ruhm erlangt hat, auch so genießen? Wenn es nicht so heiß wäre,
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