Neuigkeiten aus dem Paradies: Ansichten eines Sizilianers
Wächter die Carabinieri, und die entdeckten die beiden jungen Einbrecher dann in einem Schrank. Die zwei erklärten, sie hätten nicht gewusst, dass die Villa dem Avvocato gehörte. Natürlich! Woher auch, die Ärmsten! Ich bitte Sie, zwischen den Zeilen zu lesen: Diese Villa, die als historisch bezeichnet wird und in der es, könnte ich mir denken, anderes gibt als mein geliebtes Terrakottaväschen, ist nicht durch Hochspannungsdrähte, Überwachungskameras und ausgeklügelte Elektronik geschützt. Nein, der ganze Schutz besteht aus einer gewöhnlichen Alarmanlage, einem Wächter (den ich mir ziemlich betagt und leicht hinkend vorzustellen erlaube) und einer normalen Tür (ich muss mich korrigieren: normal in ihrer Eigenschaft als Tür, nicht normal, weil sie historisch ist). Den beiden minderjährigen Einbrechern war es ja auch gelungen, mit Hilfe einer ganz banalen, traditionellen Brechstange in die Villa einzudringen.
Also so was! Die Villa der Familie Agnelli! Ich bin sicher, dass es den beiden Zigeunerjungen schlecht ergangen wäre, wenn sie sich die Villa irgendeines kleinen, spießigen Fabrikanten vorgenommen hätten! Hut ab, mal wieder, vor Agnellis natürlicher Eleganz. Weht nicht auch Sie leise der Duft des Märchens aus dem neunzehnten Jahrhundert an? Könnte die Geschichte nicht aus De Amicis’ Roman Cuore stammen? Die Zutaten sind allesamt vorhanden: der reiche Herr, die beiden kleinen Diebe, der alte Wächter und, als Krönung, die anrückenden Carabinieri, zur Feier des Tages in Galauniform mit Federbusch. Die beiden Ordnungshüter ziehen den Einbrechern die Ohren lang und bringen sie in das Lager zurück, das die Zigeuner an der Straße zum Flughafen aufgeschlagen haben. Die Einzigen, die sich am Ende nicht an das Drehbuch halten, sind die beiden Zigeunerjungen. Da sie sichtlich unerfahren sind und Cuore nicht gelesen haben, verstecken sie sich in einem Schrank, der sonst den Liebhabern in der Komödie vorbehalten ist. Aber man kann ja nicht verlangen, dass sie perfekt sind. Herzlichen Dank, Avvocato, dass Sie in unseren bedrückenden Zeiten mit all den Nachrichten über finstere, schmutzige Gewalttaten dieses kleine Wunder ermöglicht haben!
DER 1. MAI UND DIE MAFIA
Die schlimmste Demütigung, die Mario Scelba, Innenminister und Sizilianer, den unschuldigen Toten von Portella della Ginestra und der Intelligenz der Italiener (aber der Sizilianer im Besonderen) zufügen konnte, war die Behauptung im Parlament, das Massaker vom 1. Mai 1947 habe keinerlei politische Hintergründe. Vielmehr haben der Bandit Giuliano und seine Leute die am Tag der Arbeit versammelten Männer und Frauen, Alten und Kinder aus eigener Initiative erschossen. Doch warum hätte sich der Bandit die ganze Bevölkerung zum Feind machen sollen, wenn er sich nicht eines solideren Schutzes und einer besseren Rückendeckung sicher gewesen wäre, als verängstigte Bauern sie ihm bieten konnten? Das fragten sich augenblicklich Sizilianer und Nichtsizilianer. Nach einer Antwort musste man nicht lange suchen. Der Bandit war eine Art bewaffneter Arm der separatistischen Bewegung in Sizilien (eines abscheulichen Geflechts aus Mafia, extremer Rechter und Großgrundbesitzern), deren Hauptaufgabe darin bestand, jede nur denkbare soziale Veränderung auf der Insel zu verhindern. Wer sich dem entgegenstellte, bezahlte mit dem Leben. Wie Accursio Miraglia (4. Januar 1947) und Pasquale Almerico (25. März 1947), zwei der zahlreichen Gewerkschafter, die vor den Geschehnissen bei Portella ermordet wurden. Giuliano war politisch geworden, hatte sich in den Dienst der Großgrundbesitzer und der Rechten gestellt und mit der Mafia Frieden geschlossen: Auf welcher Seite er stand, war für die Sizilianer also gar keine Frage. Inzwischen hatte bei den Regionalwahlen vom 20. April 1947 die aus Sozialisten, Kommunisten und unabhängigen Linken bestehende Volksfront trotz Drohungen und Einschüchterungen einen überwältigenden Erfolg errungen: 29 Abgeordnete bei 20 Christdemokraten. Man begann, wenn auch sehr vage, von einer möglichen Einigung zwischen den linken Parteien und den Christdemokraten für die Regierungsbildung auf der Insel zu sprechen. Eine solche Einigung hätte den Bestrebungen der Rechten sicherlich ein Ende gesetzt. Zehn Tage später kam der Befehl, auf die »Kommunisten« zu schießen. Das Massaker von Portella bedeutete zweierlei: Rache an den Bauern und den Arbeitern, die für die Gegenseite gestimmt hatten, und Beginn eines Bruchs
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