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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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Kletterbewegungen, und er meinte, regelrecht neben ihr zu gehen und mit ihr zusammen in der dünnen Luft zu schnaufen. Als sie ihm beschrieb, wie sie sich auf einer Fete in einem Club in Cuzco zu erwachsen vorgekommen war, war er so verlegen wie sie und drückte sich neben ihr an die Wand. Als sie erzählte, wie sich der Pelikan auf der Islas Ballestas auf seine Beute gestürzt hatte, fühlte er sich, als wäre er selbst in dessen Beutel gefangen, und als sie ihm mit genussvoll geschlossenen Augen vom Untertauchen in den heißen Quellen von Paracas berichtete, spürte er regelrecht, wie seine Kreuzschmerzen nachgaben. Das alles interessierte ihn sehr, und zugleich wurde ihm klar, was er alles verpasste, da er dazu verurteilt war, diesen atemberaubenden Kontinent durch die trübe Brille der Sorge zu betrachten.
    Inbar hatte aufgehört, mit Alfredo zu flirten, das war eine Erleichterung für ihn. Am Tag zuvor, so erzählte sie Dori, bevor siein die Kabine stiegen, habe Alfredo an die Tür ihres Zimmers im Hostel geklopft und ihr ganz ungeniert vorgeschlagen, mit ihm zu schlafen, in dem ausziehbaren Bett in seinem Büro. Du siehst so aus, habe der Macho von der traurigen Gestalt gesagt, wie eine, die das Leben zu genießen weiß. Sie habe ihm klargemacht, dass sie nicht mit ihm das Leben genießen wolle, und auch angedeutet, er solle sich erst mal duschen, bevor er Frauen solche Anträge mache. Ich glaube nicht, dass ihn das verletzt hat, er scheint mir einer von der Sorte zu sein, die nehmen, was kommt, sagte sie zu Dori, und trotzdem fände ich es gut, wenn du heute zuerst einsteigen und dich zwischen uns setzen würdest.
    Kein Problem, meinte Dori, freute sich, dass Inbar ihm vertraute.
    Sie beide saßen nebeneinander, auf Sicherheitsabstand. Ihre Knie berührten sich nicht. Inbars bestrumpfter Fuß (sobald sie losfuhren, zog sie immer die Schuhe aus) berührte nicht seinen beschuhten Fuß. Sie hatte ein stark ausgeprägtes Fußgewölbe, so etwas hat er noch nie gesehen. Seine Zehen würden sich gern da hineinschmiegen, in einer langsamen Bewegung durch das weiche Tal bis zum Hügel der Ferse gleiten, vielleicht auch noch die schmalen Knöchel umkreisen und fesseln. Aber was soll das plötzlich. Auch als sie ihn einlud, die Inschrift des Wandernden Juden an der Wand ihres Zimmers anzuschauen, hatte sie die Tür offen gelassen und möglichst großen Abstand gehalten. Ab und zu, wenn er ihr die Bamba -Beutel herüberreichte, die Alfredo für sie aus seinem geheimen Versteck zog, berührte sein kleiner Finger ihren. Und im Fahrtwind wehte ihr Haar leicht über sein Gesicht. Das war alles.
    Sie sprach fast gar nicht über ihr Leben in Israel. Sie schien dort einen Ejtan zu haben. Und in Australien einen neu entdeckten Bruder. Und auch einen Vater, auf den sie sehr sauer war, aber darunter spürte man, wie sehr sie ihn liebte. Und dann gab es Joavi. Jedes Mal, wenn sie ihn erwähnte, wurde die kleine Falte über ihren Lippen tiefer, und aus ihren Augen blickte eine Wolke, die viel Regenführte. Er fragte sie nicht nach Joavi oder nach den anderen, denn irgendetwas in ihr signalisierte: Wenn ich bereit bin, werd ich dir erzählen.
    Von ihm erwartete sie dagegen, dass er auf all ihre Fragen antwortete. Und zwar sofort. Schließlich waren sie auf einer Suchexpedition, und da musste sie so viel wie möglich von ihm wissen, um ihm helfen zu können.
    Du hast aber wirklich eine Detektivmütze auf, sagte er am Anfang ausweichend.
    Gefällt sie dir nicht?, fragte sie sofort nach, schon beleidigt.
    Im Gegenteil, sie steht dir sehr gut. Er sagte die Wahrheit.
    Sie war entschlossen, ihr Verhör wiederaufzunehmen. Gut, wo sind wir stehn geblieben? Dein Vater hat deine Mutter sehr geliebt.
    Ja.
    Und inwiefern? Woran hat man das gesehen?
    An vielen Kleinigkeiten.
    Erzähl mir eine.
    Zehn Jahre lang hat er in Mevasseret Zion ein Haus gebaut, und zum Schluss sind wir da nicht eingezogen, weil er sah, wie traurig es sie gemacht hätte, Jerusalem zu verlassen.
    Das nennst du eine Kleinigkeit? Wie war denn das genau?
    Er hat das Haus langsam gebaut, begann er, darauf bedacht, keine Kleinigkeit auszulassen, sich ihr als ebenbürtiger Erzähler zu erweisen und ihr eine Geschichte mit Anfang, Mitte und mindestens einem Ende zu präsentieren. Einen Teil der einfachen Arbeiten hat er selbst gemacht. Immer wieder hat er neue Bauunternehmer beauftragt und nach kurzer Zeit gefeuert, weil sie seinem Traumhaus nicht mit der gebotenen Ehrfurcht

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