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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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sagte sie, nachdem sie gelesen hatte. Das deckt sich mit dem, was Alfredo mir gesagt hat.
    Alfredo? Wann hat der mit dir gesprochen?
    Nachdem du gegangen warst, hat er mich angerufen und gesagt, seinen Quellen zufolge habe jemand, auf den die Beschreibung deines Vaters passe, vor zwei Monaten bei einer Bank in dem Städtchen Moisés Ville in Argentinien eine große Summe abgehoben und ein paar Tage später mit Bargeld eine alte Farm und Land auf der Grenze zwischen Moisés Ville und dem nächsten Städtchen, das Palacios heißt, gekauft. Beide Ortschaften sind früher wirklich einmal Moschavot des Baron Hirsch gewesen.
    Und … was hat er mit dem Land gemacht, nachdem er es gekauft hat?
    Alfredo hat gesagt, seine Informanten in Argentinien seien gerade da dran. Bis du in Buenos Aires landest, würde er schon genauere Informationen haben.
    Ich hatte gar nicht erwartet, dass er noch weiter für uns arbeitet. Ich war mir sicher, dass …
    Du liegst ihm am Herzen, Dori.
    Nun übertreib mal nicht.
    Hör mal, fauchte sie, und für einen Moment meinte er, sie würde gleich ihre Krallen ausfahren, warum fällt es dir so wahnsinnig schwer zu akzeptieren, dass du anderen Menschen am Herzen liegst?
    Er schwieg, senkte den Blick auf die Tastatur. Könnte er doch nur das H drehen und als Brücke zwischen sich und Inbar legen.
    Trotzdem, sagte sie nach einem Schweigen, das ihm so unendlich lang erschien wie die Wanderschaft des jüdischen Volkes – ich glaube, es gibt nun eine Chance, dass deine Reise bald zu Ende geht. Es sieht ganz so aus, als sei dein Vater sesshaft geworden.
    Kommst du mit, ihn treffen? Er hatte bemerkt, dass sie nicht mehr im Plural sprach, und legte seine Hand auf ihre, die auf ihrem Knie lag. Weißt du, ich hab ziemlich Angst vor dieser Begegnung mit ihm, mir ist nicht ganz klar, wen ich da treffen werde.
    Sie zog ihre Hand unter seiner heraus, legte sie in den Schoß und schwieg.
    Tut mir leid wegen heute, sagte er. Ich weiß, ich war nicht okay. Aber diese ganze Sache mit meinem Vater und die Wochen fern von zu Hause und die Begegnung … mit dir, manchmal verheddert sich das alles bei mir, und ich weiß nicht, von welchem Ende ich das aufdröseln soll. Aber, damit das klar ist: Ich möchte sehr, dass du mitkommst.
    Hast du den Eindruck, ich wollte mich absetzen? Ein erstes Lächeln huschte über ihre Lippen. Noch schaute sie ihn nicht an, doch sie lächelte schon. Aber nerven tust du schon. Ich bin einfach zu neugierig, um jetzt abzubrechen. Und ich möchte, dass es mir einmal auch gelingt … jemanden zu retten, meine ich.
    Sie wandte ihren Kopf zu ihm. Ihre Gesichter waren sich jetzt sehr nah.
    Er hörte dieses innere Summen der Sehnsucht, das einem Kuss vorausgeht.
    Doch bevor er verdauen konnte, was er gehört hatte, und sich zu ihr neigen oder sich zurückhalten und nicht zu ihr neigen, stand sie abrupt auf. Dann bis morgen früh, sagte sie.
    *
    Auf dem Flug nach Buenos Aires küsste er sie. Auf den Kopf.
    Am Anfang hatte sie sich distanziert verhalten, um zu zeigen, dass sie noch nachtragend war. Doch nach dem Start war sie eingeschlafen. Ihr Kopf war von alleine an seine Schulter gesunken, und er hatte ihr Haar geküsst und ungeduldig gewartet, dass sie aufwachte, etwas sagte. Ihr Reden fehlte ihm. Ihre gemeinsamen Gespräche. Sie brachte ihm von Neuem bei, sich zu unterhalten, diese Inbar. Und sie war interessant. Man spürte, sie war kein Mädchen mehr und wusste schon etwas von der Welt und den Menschen. Andererseits glaubte sie nicht, schon alles zu wissen. Es war erfrischend, mit einer Frau zusammen zu sein, die noch suchte. Bei der noch nicht alles in Gips gegossen war. Da gab es noch Ritzen, durch die Licht dringen konnte. Sie war so wach und zudem auch noch lustig. Eine Frau, die es sich sogar ab und zu erlaubte, glücklich zu sein. Roni zum Beispiel konnte manchmal fröhlich sein, aber nicht glücklich. Ihr Inneres war zu hart. Bei Inbar schien das anders zu sein. Schon, wie sie sich der Suche nach seinem Vater verschrieben hatte, mit Haut und Haar, ohne viel zu überlegen. Manchmal hatte er das Gefühl, dass es ihr wichtiger war als ihm, seinen Vater zu finden. Und es war angenehm, dass sie auf seiner Seite stand. Schon lange hatte er nicht mehr das Gefühl gehabt, dass jemand auf seiner Seite stand. Und schon lange hatte ihn keine Frau mehr so angeschaut. Ja, es gab sehnsuchtsvolle Blicke von Schülerinnen, aber die zählten nicht, denn das Pult machte ihn größer. Inbar dagegen fand

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