Neuland
Musiker, sagte er, und machte eine Handbewegung in Richtung Dori, der über den Trommeln kauerte. Er wollte so sehr, dass ich Musik mache. Aber darin war ich leider eine völlige Null.
Ich weiß, rutschte es ihr heraus, und sie fügte schnell als Erklärung hinzu: Aus deinem Tagebuch.
Du hast es auch gelesen?
Sie merkte, sie hatte sich verstrickt, und sagte: Ja, Dori hat mich darum gebeten, er wollte meine Meinung dazu wissen. Tut mir leid, wenn –
Ist schon in Ordnung. Wer sein Tagebuch in einem Computer liegen lässt, will vielleicht auch ein bisschen, dass jemand es liest. Zumindest verliert er, sagte er mit einem Lächeln, das nicht freudig war, das Recht, sich zu beschweren.
Sie schwieg, verlegen bis unter die Haarwurzeln, und tat so, als konzentriere sie sich auf die Musik.
Dann habt ihr beide euch in Peru getroffen?, fragte Doris Vater.
Ja. Inbar senkte den Blick.
Und dann hast du dich seiner Suche angeschlossen … nach mir?
Ja.
Und du weißt, dass er verheiratet ist und ein Kind hat – sie war sich zweihundertprozentig sicher, dass er das nun sage würde.
Doch er legte ihr nur seine Hand auf den Rücken, flüchtig, so wie ihr Vater es immer getan hatte, und sagte, schön, dass du dichihm angeschlossen hast. Es gibt nicht viele Leute, die sich mit der Suche anderer identifizieren können. Und er fügte hinzu, indem er seine Hand zurückzog, gut, dass du hier bei uns bist, Inbar.
*
Am Ende des Konzertes begann es zu regnen. In Israel wären jetzt alle losgerannt, um irgendwo Schutz zu suchen, doch hier störte es keinen.
Bei der Weggabelung nahe dem Zelt blieben sie stehen. Dori, sein Vater und sie.
Und standen da.
Und standen da.
Wenn sich die Wege von Menschen trennen, gibt es immer dieses leichte Verweilen. Diesmal lastete es schwer. Viele Minuten lang verlagerte Inbar das Gewicht von einem Bein aufs andere, sog den guten Geruch des feuchten Bodens ein und wartete, dass zwischen den beiden Männern etwas reifte.
Schließlich sagte Doris Vater: Es fällt mir immer noch sehr schwer, alleine zu schlafen … ohne Mama, weißt du?
Dori nickte heftig, als sage er: Auch mir ist es ohne sie schwer.
Sein Vater fuhr fort: Tagsüber bin ich zu beschäftigt, um nachzudenken, aber nachts –
Dori nickte wieder, als sage er: Ich auch.
Und sein Vater wischte sich einen Tropfen oder eine Träne von den Wimpern und fragte: Kommst du morgen früh in mein Büro?
Dori antwortete mit leichtem Spott in der Stimme: Ich möchte dich nicht beim Visionieren stören, Señor Neuland.
Und sein Vater sagte, ohne jeden Unterton: Morgen möchte ich dich visionieren, Junge.
Nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: Ich wünsche uns allen eine gute Nacht. Und zu Inbar gewandt: Wenn du in der Hütte noch etwas brauchst, etwa eine Decke, dann gibt es immer jemanden, der nachts in der Servicehütte Dienst hat.
Sie sagte: Danke, und wusste nicht, wie sie danach weitermachen sollte. Meni? Doris Vater? Señor Neuland?
Dann trennten sich ihre Wege – sie gingen zu den Gästehütten, er zum Farmhaus. Als Inbar sich umdrehte, sah sie, er ging langsam, schleifte seinen Poncho hinter sich her, mit hängenden, traurigen Schultern, genau wie sein Sohn, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, während er sich auf dem Flughafen Ben Gurion über die Fotos beugte.
*
Was für ein Tag, sagte sie, als Dori und sie sich den Hütten näherten. Ist dir klar, dass wir gestern Abend noch in La Paz waren? Toll, dich spielen zu sehen, schob sie nach, und als er auch darauf nicht antwortete, fragte sie: Alles in Ordnung?, und streckte eine mutige Hand aus, um seine Wange zu streicheln. Ich weiß nicht, sagte er, rieb sich die Hände gegen die Kälte, und sagte noch einmal: Ich weiß nicht. Dieser Ort ist befremdlich. »Señor Neuland« befremdet mich. Alle, die hier rumlaufen, erscheinen mir völlig durchgedreht, aber sie machen den Eindruck, als gehe es ihnen ziemlich gut, nicht wahr?
Sie sind vergnügt, das ist mir aufgefallen.
Ja, stimmt.
Und sie begeistern sich.
Bisher verstehe ich nur noch nicht, wofür.
Ich auch nicht. Aber das ist unser erster Tag hier, und du weißt ja, auch wenn man ein Buch liest, braucht es eine Weile, bis man reinkommt.
Vielleicht sind ja alle hier völlig okay, und ich bin der Durchgedrehte? Ist es das, was du meinst? Dori breitete fragend die Arme aus, und wieder wirkte er auf sie wie ein Kind, wie so ein kleiner Marco.
Willst du mit rein … sollen wir darüber reden?, fragte sie und zeigte auf
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