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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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lächerlicher Herzlbart wuchs, und ging hinaus in Richtung Farmhaus.
    Die Wolken am Himmel waren besonders dick, ein heftiger Wind wehte ihm einen unangenehmen Geruch in die Nase – was war das? Schwefel? – und zerzauste allen, die draußen arbeiteten, die Haare. Auch der schwangeren Frau, die ihm entgegenkam, und ihn, als sie ihn erreichte, plötzlich umarmte, als wären sie alte Freunde, und ihn fragte: Du hast Kinder? Er stammelte, was … woher … warum …, und sie sagte, keiner hier hat Kinder, deshalb kann ich mit niemandem darüber reden, und ich dachte, vielleicht könntest du … Ja, gestand er, ich habe einen Sohn, und sie umarmte ihn noch einmal und sagte, toll, dann bin ich nicht allein, und ging weiter, mit ihrem Bauch, ohne noch etwas zu erklären.
    Nach ein paar Metern auf dem schlammigen Weg hielten ihn zwei junge Männer in Stiefeln an und drängten ihm eine Umarmung auf. Wann bist du aus Israel weg?, fragten sie flüsternd. Vor drei Wochen, sagte er. Hast du eine Ahnung, wer Fußballmeister geworden ist? Bejtar , antwortete er. Und Pokalsieger? Auch Bejtar , sagte er, aber warum flüstert ihr? Du weißt schon, sie grinsten. Nein, ich weiß nicht, sagte er. Da lachten sie zu laut und gingen weiter. Eine Insel bin ich jetzt, eine Menscheninsel, umgeben von einem See des Schreckens – er erinnerte sich an diesen Satz aus dem Tagebuch seines Vaters und kam an einer Bank der persönlichen Vision vorbei, auf der sich zwei junge Frauen angeregt unterhielten. Der Wind mit dem Schwefelgeruch trug eins ihrer Worte zu ihm – Flügel. Flügel, hatte die eine gesagt, und die andere hatte ihm verständnisvoll zugenickt. Ihm, nicht ihrer Freundin. Wieso ihm? Er nickte zurück, ging weiter in Richtung Farmhaus, und wieder rumorte in ihm der Zweifel: Hatten sie wirklich von Flügeln gesprochen, oder bildete er sich dieses Wort ein? War auch der Schwefelgeruch eine Vision? Und womöglich auch die Einladung von Inbar gestern Abend, in ihre Hütte zu kommen? Und seine Ablehnung? Was für ein Idiot muss man sein, so ein Angebot abzulehnen, dachte er, und seine Blicke suchten Inbar, um mit ihr zusammen zu bereuen, um mit ihr zusammen unter der Decke zu bereuen, doch er fand sie auf keinem der Wege und auch nicht im Farmhaus, und statt ihr empfing ihn David, der Verwundete, und sagte ihm voll Bewunderung: Mann, hast du gestern gespielt, und brachte ihn zum Zimmer seines Vaters, der ihn in der Tür erwartete, als habe er genau gewusst, wann er kommen würde. Er trug einen weißen Poncho, statt des hellblauen vom Vortag. Er umarmte ihn lange, und Dori erstarrte in seiner Umarmung und dachte, seit wann gehören denn Umarmungen zum emotionalen Repertoire meines Vaters? Und als habe sein Vater seine Gedanken gehört, sagte der: Ich lerne viel von den Kindern hier. Zum Beispiel, wie wichtig Berührungfür die Heilung ist. Was genau will er damit sagen?, überlegte sich Dori. Dass ich krank bin? Und er dachte, vielleicht hab ich mir gestern tatsächlich einen Virus eingefangen und habe deshalb dieses sonderbare Gefühl, so als sei Vaters Seekrankheit auf mich übergegangen. Komm, Junge, komm rein, sagte sein Vater, und Dori trat ein, er kam sich wirklich wie ein kleiner Junge vor und staunte, wie schnell man vor seinen Eltern klein wird. Trinkst du was?, fragte sein Vater, und er fragte zurück: Hast du hier ein Telefon? Komm, Papa, lass uns Ze’ela anrufen, ihr sagen, dass du am Leben bist. Und Neta auch, damit er ein bisschen die Stimme seines Opas hört. Er sehnt sich nach dir.
    Tut mir leid, sein Vater lehnte sich zurück, an seinen grauen Doktor Gav , Neuland ist ein telefonfreier Raum.
    Ausnahmslos?
    Ja, ausnahmslos. Trinkst du Mate, Dorinju? Das hier, er zeigte auf einen riesigen Wasserkessel in der Ecke, ist der alte Samowar von Familie Feldman. Hugo Jacobi bekam ihn von ihnen, als er das Haus kaufte. Sie hatten ihn aus Russland mitgebracht. Und er hat mir gesagt: Diesen Samowar habe ich von ihnen bekommen, ohne dafür zu bezahlen, deshalb bekommst auch du ihn dazu, ohne dafür zu bezahlen. Er hat mir auch einen Fernschreiber und diesen langen Stock hier überlassen. Halt ihn mal, nimm ihn doch in die Hand, wovor fürchtest du dich? Den haben sie benutzt, um die Heuschreckenschwärme zu vertreiben. Heuschrecken sind in Argentinien eine echte Plage gewesen, Dori, nicht eine biblische, das war 1947.
    Sag mal, unterbrach Dori seinen Vater und gab ihm den Stock zurück, bist du nicht neugierig, mit deinem Enkel zu

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