Neulandexpedition (German Edition)
noch nie so einen guten Freund und wollte das einfach nicht riskieren. Außerdem hätte ich nie gedacht, dass du etwas Ähnliches empfinden könntest. Und du hast mich vorhin nicht ausreden lassen“, fügte ich hinzu, während mir das Herz bis zum Hals schlug.
„Was meinst du?“, verwirrt sah er mich an und richtete sich etwas auf. Tief atmete ich noch einmal durch.
Gut, Zeit die Karten auf den Tisch zu legen.
„Bjorn, ich bin schwul.“
Kapitel 15
Bjorn
Perplex starrte ich ihn an. Bitte was? Das hatte er gerade nicht wirklich gesagt oder ich ihn falsch verstanden.
„Ähm okay, bin ich ja, denke ich, auch. Oder Bi, also ...“, stotterte ich, seine Worte warfen mich mehr aus der Bahn, als unsere Küsse und das sollte was heißen!
„Das mein ich nicht“, murmelte er und starrte auf meine Brust. Was meinst du dann? Die Frage stand mir wahrscheinlich dick und fett auf der Stirn.
„Ich bin schwul und ich weiß das nicht erst seit dem hier“, er zeigte zwischen uns hin und her.
Sprachlos starrte ich ihn an. Ich hatte mich verhört, oder? Meine Mutter hatte früher ja schon immer gesagt: „Bjorn du kannst nicht hören.“ Anscheinend hatte sie recht, weil das konnte nicht ... das ... schwul ?
„Aber ... aber Meike?“, brachte ich schwach heraus und setzte mich auf. Mein Kopf schwirrte. Wenn das wahr war, warum hatte er am Samstag dann so reagiert? Warum hatte er nie was gesagt? Warum...
Stöhnend legte er sich eine Hand über die Augen.
„Da hab ich Scheiße gebaut, ich weiß. Und ich hätte nie ... Gott, ich hab am Samstag so eine Panik bekommen!“, plapperte er los und fuchtelte mit den Armen durch die Gegend. „Ich mein, ich komm aus 'nem ziemlichen Kaff, da wäre das absolut ... und mein Bruder erst. Wenn der das wüsste ... Er würde mich umbringen.“ Er stoppte und atmete tief durch. Gab mir somit ebenfalls ein wenig Zeit das Gesagte zu verdauen. Und Himmel, die brauchte ich auch. Meine Gedanken fuhren nämlich Achterbahn.
Sein Bruder? Wir hatten nie viel über Familie gesprochen, weder über seine noch meine. Anscheinend war es bei uns beiden nicht gerade das angenehmste Thema. Bevor ich etwas erwidern oder ihn anbrüllen konnte, warum er mir das zum Donnerwetter nicht eher gesagt hatte, fuhr er fort und nahm mir damit den Wind aus den Segeln.
„Ich konnte einfach nicht schwul sein! Ich hatte auch noch nie einen ernsthaften Grund, um mir diesen Kampf anzutun. Denn ehrlich gesagt lief da nie wirklich was Interessantes rum.“
Über seine Wortwahl hätte ich fast gelacht, befürchtete aber, dass er es falsch verstehen konnte. Dass mir ein:
„Na, ein Glück“, herausrutschte, konnte ich allerdings nicht verhindern und entlockte ihm damit ein kleines Lächeln. „Sonst wärst du vielleicht nie hier gelandet.“ Erschreckende Vorstellung.
„Ja, vielleicht“, überlegte er. „Jedenfalls, als ich dann hierher kam, hab ich mir vorgenommen: Jetzt stehst du dazu. Hier kannst du so sein, wie du bist. Nur stellte sich das als gar nicht so leicht heraus. Ich war lange der Außenseiter. Eigentlich immer. Ich kannte es gar nicht anders und daher blieb ich es wohl auch hier automatisch. Bis mich plötzlich Alwin eingeladen hat und ich euch alle kennengelernt habe. Schon da hab ich gemerkt, dass ich mehr für dich empfinden könnte. Aber es war klar, dass du auf Frauen stehst und wir haben uns so gut verstanden. Also hab ich versucht, dagegen anzukämpfen, weil ich Angst vor deiner Reaktion hatte. Ich hab mir eingeredet, dass es unwichtig ist und gar nicht so schlimm. Immerhin hab ich dich ja nie belogen. Hättest du mich gefragt, hätte ich dir die Wahrheit gesagt. Das hab ich mir jedenfalls eingeredet, bis Meike dann mit ihrer Flirtattake anfing. Plötzlich hab ich mich wieder in meiner Paraderolle des Heteros wiedergefunden, damit du ja nichts merkst“, in seiner Stimme schwangen Bitterkeit und Selbstverachtung mit.
„Und darin warst du echt gut“, schnaubte ich. „Ich hab's dir abgekauft.“
„Ich mir manchmal selbst“, sein Lächeln wirkte traurig. „Übung macht eben den Meister.“
„Aber wenn du sagst, du bist schwul...“, stammelte ich, immer noch total durch den Wind.
„Ich hatte aber noch nie was mit einem Mann. Zwar hab ich's gewusst, irgendwie, aber nie...“, verlegen brach er ab und biss sich auf die Lippen. Unweigerlich blieb mein Blick an ihnen hängen. Falscher Zeitpunkt Bjorn, zusammenreißen ist angesagt. Jetzt waren ein paar Antworten wichtiger.
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