Neulandexpedition (German Edition)
Brust.
Noch vorgestern wäre ich in Panik ausgebrochen, heute seufzte ich zufrieden.
Sanft strich ich ihm über den Kopf, was Johan ein Murmeln entlockte. Ich musste grinsen und vergrub meine Nase tiefer in den blonden Strähnen. Atmete tief ein und hätte fast wieder geseufzt.
Zitrone, ganz eindeutig und diesmal nicht übertüncht von irgendwelchem Gel oder Haarspray. Das war mir allerdings schon in der Nacht aufgefallen. Seine Haare waren zwar eindeutig zerzaust, aber anscheinend hatte das dieses Mal der Wind übernommen statt meines Freundes.
Mein Freund ... Gott, klang das genial!
„Was grinst du denn so?“, wollte Jo plötzlich verschlafen wissen, dabei sah er mich gar nicht an.
„Darf ich das nicht, wenn ich aufwach' und feststelle, dass ich nicht bloß geträumt hab?“, erwiderte ich und er hob den Kopf.
„Okay, stimmt, wenn du schreiend das Weite suchen würdest, hätte ich ein Problem.“
„Darauf kannst du lange warten“, murmelte ich und drehte mich in einer schnellen Bewegung auf ihn. „Ich lass dich bestimmt nicht so schnell wieder weg.“
„Brav“, grinste er breit und wirkte sehr zufrieden.
„Ey, beleidige mich nicht!“, empörte ich mich. „Und wenn du Gedanken lesen könntest, würdest du so was bestimmt nicht sagen.“
„Wieso? Sind die so schlimm?“, gespielt entsetzt riss er die Augen auf.
„Ganz schlimm, und versaut“, bestätigte ich mit tiefer Stimme.
„Alles nur leere Versprechungen“, meinte er provozierend. Was ich mir natürlich nicht gefallen lassen konnte. Schließlich musste ich meine Ehre verteidigen, also küsste ich ihn und belehrte ihn eines Besseren.
***
„Hilfe, da hat aber einer Hunger“, grinste er eine ganze Weile später als mein Magen laut seine Vernachlässigung kundtat.
„Sollen wir Frühstücken gehen? Hab nix mehr da“, schlug ich daher vor und reckte mich. An so ein Aufwachen, mit ihm an meiner Seite, konnte ich mich wirklich gewöhnen.
„Hm, dann müssen wir ja aufstehen“, murrte er und kuschelte sich tiefer in meine Bettdecke.
„Leider“, nickte ich und setzte mich auf, „wenn du keine Diät machen willst.“
„Is' ja mal 'n mieser Service hier. Dachte, ich krieg Frühstück ans Bett.“
„Kann ich machen. Ich hätte da noch den Joghurt, der vorletzte Woche abgelaufen ist und sich wohl bald von allein in Richtung Mülleimer bewegt. Dann noch zwei Scheiben Scheiblettenkäse und Schrumpeltomaten“, zählte ich meinen Kühlschrankinhalt auf.
Hastig sprang er aus dem Bett.
„Weißt du was? Ich hab 'ne tolle Idee. Lass uns zur Feier des Tages mal auswärts Frühstücken, hm?“
„Wirklich eine grandiose Idee. Wie du auf so was nur immer kommst?“, tat ich übertrieben verwundert und folgte ihm grinsend.
„Tja, bin eben spontan.“
„Wow, seit wann?“, fragte ich.
Widerwillig lachte er auf und schüttelte den Kopf. „Du musst wirklich immer das letzte Wort haben.“
„Das haben wir doch schon mal geklärt, oder?“
„Na ja, man darf doch mal hoffen“, zuckte er mit den Schultern.
„Darauf besser nicht“, grinste ich zurück.
„Was tu ich mir hiermit nur an?“, seufzte er ergeben und trottete ins Bad.
„Oh, ich hab auch meine guten Seiten“, behauptete ich.
„Ach ja?“
„Ja, und das Gute ist, du hast jetzt die nächsten zwanzig, dreißig Jahre Zeit, die zu entdecken.“
„Meinst du echt, die Zeit reicht, um die auszubuddeln?“, zweifelte Jo und kratzte sich am Hinterkopf.
„Pass bloß auf, sonst mach ich lebenslänglich draus.“
„Alles leere Versprechungen.“
„Na, das wollen wir ja mal sehen. Ich halte nämlich für gewöhnlich meine Versprechungen“, meinte ich mit tiefer Stimme und trat nah vor ihn. Einen Moment sahen wir uns in die Augen. Hellgrau funkelte mich an.
„Das will ich hoffen“, murmelte er schließlich, senkte den Blick und wandte sich zum Waschbecken um. Diesmal ließ ich ihm das letzte Wort.
***
„Wie willst du das jetzt eigentlich handhaben? In der Öffentlichkeit, mein ich“, erkundigte sich Johan, nachdem uns das Frühstück gebracht worden war. Wir saßen nebeneinander in einem Café, das für kleines Geld ein recht üppiges Frühstück servierte. Nach tagelanger Herzschmerzdiät genau das Richtige. Einen Moment überlegte ich. Wirklich Gedanken hatte ich mir darüber noch nicht gemacht, aber...
„Ich will mich nicht verstecken“, sagte ich entschlossen und sah ihn an. Ich tat ja nichts Schlimmes, ich liebte einen anderen Mann.
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