Neulandexpedition (German Edition)
Strasssteinen blendeten mich einen Moment.
„Aber ich hab erst morgen Geburtstag“, merkte ich an.
„Was? Oh wirklich? Ich hätte schwören können, heute ist der Achte“, nachdenklich spitzte sie die Lippen und schwankte leicht.
„Ist er ja auch, aber ich hab am Neunten“, und das schon seit fast einundzwanzig Jahren. Aber warum sollte man sich so etwas Unwichtiges auch merken?
„Oh Schatz, also ... Dann bin ich eben die Allererste die dir gratuliert“, legte sie sich ihren Patzer wieder einmal so zurecht, wie es ihr passte. Kreativ war sie, das musste ich ihr lassen.
„Mama, ich erwarte Besuch, also was willst du?“, langsam wurde ich ungehalten. Ich wollte sie hier weghaben, bevor Jo auftauchte, aber anscheinend hatte meine Mutter da andere Pläne.
Langsam fuhr sie mit einem Zeigefinger über meinen Laptop.
„Sehr nett hast du's hier. Der war sicher teuer, oder?“
Wütend biss ich die Zähne zusammen.
„Hab ihn gebraucht bekommen und ist schon älter, eignet sich also nicht mehr zum Verticken.“ Diese Antwort schien ihr nicht zu schmecken, denn schon ging ihr Blick erneut auf Wanderschaft. Streifte die Wand mit den Bücherregalen, mein zerwühltes Bett, die Ecke, wo mein alter Fernseher und DVD-Player auf dem Boden standen und huschte dann zu meinem vollgemüllten Schreibtisch. Der Streifzug war enttäuschend verlaufen, wie ich deutlich an ihrer Mimik erkannte. Doch sie hatte sich schnell wieder im Griff.
„Nun dann ... Dein Vater hat sich doch sicher bei dir gemeldet? Hat er dir was geschickt?“ Das gierige Funkeln in den Augen konnte sie selbst mit dem falschen Lächeln nicht kaschieren.
„Ich hab seit drei Jahren nichts mehr von ihm gehört und Mama, ich hab kein Geld. Also wenn du deswegen da bist...“, ich zuckte mit den Schultern, denn natürlich war sie nur deswegen hier.
„Noch nicht einmal-“
Die Türklingel unterbrach sie. Nach einem winzigen Moment des Zögerns ging ich, sie nicht aus den Augen lassend, öffnen. Passte ich nicht auf, würden einige Dinge auf wundersame Weise mit ihr verschwinden.
„Hey“, begrüßte mich Jo strahlend und wollte mich küssen, ließ es aber, als er meinen Gesichtsausdruck bemerkte. „Was...“, weiter kam er nicht, denn da entdeckte er meine Mutter. „Oh du hast Besuch.“
„Ja. Johan, das ist meine Mutter. Mama, das ist Jo ... mein Freund“, um diese Aussage zu verdeutlichen griff ich nach seiner Hand. Dabei war ich kein bisschen nervös. Aus dem einfachen Grund; mir war es egal. Ihre Reaktion und auch was sie davon hielt. Es juckte mich nicht.
Im ersten Moment wirkte sie schon sehr überrascht und blinzelte dann einige Male. Damit erinnerte sie mich an eine Eule – eine besoffene Eule wohlgemerkt –, dann kicherte sie los als sei sie zwölf.
„Den guten Geschmack hast du eindeutig von mir geerbt“, giggelte sie und musterte Jo von Kopf bis Fuß. Für meinen Geschmack zu genau. „Du bist ja ein ganz Hübscher“, zwinkerte sie und ging automatisch zum Du über.
Ich verdrehte die Augen und stöhnte innerlich auf, während Johan rot anlief.
„Ähm ... ich ... nett Sie kennenzulernen“, stotterte er, blieb aber höflich und sah mich unsicher an. Konnt's ihm nicht verdenken, ich hätte ihm diese ach so nette Begegnung auch gerne erspart.
„Meine Mutter wollte gerade gehen.“ Ich ließ seine Hand los und faste meine Mutter stattdessen sanft aber bestimmt am Arm, obwohl ich sie am liebsten gepackt und mit einem Fußtritt nach draußen befördert hätte.
„Was ... aber Bjorni, es wird doch gerade so nett und ich würde deinen gutaussehenden Freund gerne noch etwas näher kennenlernen“, beschwerte sie sich. Das gierige Funkeln galt jetzt Jo und nicht länger meiner Einrichtung. Teufel auch, mir kam fast die Pommes von heute Mittag hoch.
Grimmig drängte ich sie vor die Tür, ignorierte ihren Protest und Jos Blick, denn im Moment war es mir egal, was Johan von mir hielt.
Ich schloss etwas die Tür, damit er uns nicht sah, fischte mein Portmonee aus der Gesäßtasche und entnahm ihm den einzigen zwanzig Euroschein, den ich noch hatte. Eigentlich sollte der bis Ende der Woche reichen, aber jetzt fastete ich lieber, wenn ich sie nur los wurde.
„Hier, mehr hab ich nicht“, zischte ich. Mit einem zufriedenen Grinsen nahm sie mir den Schein ab, und tätschelte mir die Wange.
„Ich wusste doch, dass ich mich auf mein Baby verlassen kann. Du sorgst immer für deine Mama, nicht so wie dein Nichtsnutz von Vater. Dann
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