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Neumond: Kriminalroman (German Edition)

Neumond: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Neumond: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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einem abschätzigen Blick. »Ja, so eine gibt es hier. Sie heißt Treiber. Elvira Treiber.«
    Morell beschloss, dass die fiese Kuh einen gemeinen Konter nicht wert war und fuhr kommentarlos und ohne sich zu verabschieden in den ersten Stock.
    Obwohl er sich mitten in einem schicken Designergebäude befand, war nicht zu übersehen, dass es sich hierbei um ein Krankenhaus handelte. Im Endeffekt waren diese Einrichtungen doch alle gleich. Zweckmäßigkeit kam vor Gemütlichkeit. Da unterschied sich das einfache Hospital nicht von diesem teuren Sanatorium. Vielleicht wurden die Gemeinsamkeiten erst auf den zweiten Blick sichtbar, aber sie waren doch unverkennbar: Das Mobiliar war aus einfach zu reinigendem Material gemacht, das Licht war so grell und hart, dass man jeden noch so kleinen Fleck sah, und überall hing der sterile Geruch von Antiseptika und Desinfektionsmitteln in der Luft. Eine Krankenanstalt war und blieb nun mal eine Krankenanstalt. Ganz egal wie viel Geld man in die Architektur und die Lage investierte, es gab nichts, das dauerhaft davon ablenken konnte, dass sich hier alles um den Zerfall der menschlichen Hülle drehte.
    Morell spazierte langsam den Flur entlang und las die Schilder an den Türen: Schwesternzimmer, Kaffeeküche, Abstellraum, Lager, mehrere Krankenzimmer, Röntgen, ein sogenannter Panoramaraum und zu guter Letzt das Büro von Dr. Stefano Bertoni.
    Als auch nach dem dritten Klopfen keiner die Tür öffnete, ging er zurück zu dem Panoramazimmer. Er wollte sehen, was sich dahinter verbarg, und hoffte, sich dort die Zeit vertreiben zu können, bis Dr. Bertoni zurück von der Visite war.
    »Wow!«, war alles, was er herausbrachte, als er das Zimmer betrat. Die Außenwand des großen Raums war komplett verglast und bot einen atemberaubenden Blick. Vor ihm breiteten sich verschneite Wälder, sanfte Hügel und der malerische Ort aus. Mit offenem Mund trat er an die Scheibe und starrte hinaus. Heute war ein trüber Tag – wie genial musste die Aussicht erst bei klarem Wetter sein?!
    »So schauen sie alle drein, wenn sie das erste Mal hier hereinkommen«, krächzte eine Stimme hinter ihm.
    Morell drehte sich um und sah drei Damen, die an einem Tisch saßen und Karten spielten.
    »Ja«, sagte eine großgewachsene, breitschultrige Mittfünfzigerin mit extrem rauchiger Stimme, »es ist ein Drama, wie schnell man sich daran gewöhnt. Spätestens nach der zweiten Woche nimmt man das Panorama gar nicht mehr wahr.«
    »Wie so viele andere Dinge, wenn sie erst einmal zur Routine geworden sind«, sagte die krächzende Stimme, die zu einer dürren, alten Frau in einem Rollstuhl gehörte. Morell schätzte sie auf Ende  70 , und sowohl ihre bis obenhin zugeknöpfte Kleidung als auch ihre strenge, aristokratische Haltung erinnerten ihn an eine alte Gouvernante.
    Die dritte Frau am Tisch war etwa Mitte zwanzig und so blass und zart, dass sie fast schon transparent wirkte. Mit ihrer durchscheinenden Haut und dem dünnen Körperchen wirkte sie wie eine kleine Elfe.
    »Sie sind neu hier, oder?«, rief die bullige Frau mit der rauen Stimme. »Ich könnte mich daran erinnern, wenn ich so ein schmuckes Mannsbild in diesem Laden schon mal gesehen hätte.«
    Er ging zu ihnen an den Tisch. »Ich bin …«
    »Sagen Sie nichts.« Die Frau hielt ihre Hand hoch. »Lassen Sie mich raten: Sie sind auf Kur, um ein paar Pfunde loszuwerden.«
    »Nein, ich …«
    »Aber lassen Sie sich eines sagen. Ein echter Kerl braucht ein bisschen Speck auf den Rippen. Niemand will ein dürres Klappergestell zum Mann. Was meinst du, Adelheid?«
    Die alte Dame im Rollstuhl zuckte mit ihren knochigen Schultern. »Ich frage mich, welche Frau, die halbwegs bei Sinnen ist, überhaupt einen Mann will.«
    »Geh Adelheid, sei nicht so unfreundlich. Wir können diesen wohlgeformten Herrn gut gebrauchen. Den ganzen Tag jammerst du schon, dass du nicht mehr Poker spielen magst.« Die Frau streckte Morell ihre Hand entgegen. »Elisabeth Gruber, Lungenemphysem«, sagte sie. »Das hier ist Isabella Salm, Leukämie, und die Dame im Rollstuhl ist Adelheid Hanauer, streng geheimes Gebrechen.« Sie zwinkerte. »Unsere Adelheid redet nicht darüber, warum sie hier ist.«
    Frau Hanauer versteifte sich noch mehr. »Körperliche Unzulänglichkeiten sind nicht da, um an die große Glocke gehängt zu werden. Ich finde das unschicklich und überflüssig.«
    »Sehen Sie, so ist sie – unsere Adelheid. Eine spaßfreie Zone.« Frau Grubers Lachen ging in einen

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