Neumond: Kriminalroman (German Edition)
Schwester Zöbich erinnern?«, fragte er. »Sie hat hier in den 70 ern gearbeitet. Vielleicht waren Sie ja Kolleginnen.« Dieses Mal war er an der Reihe, gehässig zu lächeln.
Schwester Helen, die sicher nicht älter als Anfang vierzig war, kniff die Augen so fest zusammen, dass nur noch zwei schmale Schlitze zu sehen waren. »Nein«, sagte sie. »Waren wir nicht.«
»Schade.« Morell blieb stehen, nahm sich eine Broschüre über die Wechseljahre und blätterte sie demonstrativ durch. Langsam. Seite für Seite. »Wie interessant«, sagte er alle paar Sekunden. »Ahaaa. So ist das also mit den Hormonen …«
Es dauerte nicht lange bis Schwester Helen aufgab. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, griff sie nach dem Telefon. »Herr Doktor. Es tut mir leid, dass ich Sie stören muss, aber der Polizist von gestern ist wieder da. Er sagt, er brauche die Akte einer gewissen Jutta Zöbich.« Sie legte auf und schenkte Morell einen ihrer Stahlblicke. »Sie sollen raufkommen.«
»Sehr aufmerksam. Vielen herzlichen Dank.« Morell schlenderte zum Aufzug und grinste heimlich in sich hinein. Das Problem Schwester Helen hatte er mittlerweile ganz gut im Griff.
Wie es Danzer wohl mit seinem Problem erging?
36
»Was machen wir denn jetzt eigentlich beim Herrn Hölzel?«, wollte Oliver wissen, nachdem Danzer das Polizeiauto so unauffällig wie möglich in der Nähe vom St. Gröbner Hof geparkt hatte.
»Wir versuchen so viele Informationen über den Tod seiner Mutter, und gleichzeitig so wenig Ärger wie möglich zu bekommen.« Danzer wurde ganz unwohl, als er die wehenden Flaggen über der imposanten Eingangstür sah, die von einem Hotelpagen bewacht wurde. 5 Sterne Hotels waren einfach nicht sein Metier. Er kam sich ja schon fehl am Platz vor, wenn seine Frau am Hochzeitstag in einem besseren Restaurant essen wollte. Mit Tischtüchern und Stoffservietten. Und jetzt musste er in eines von diesen überkandidelten Hotels gehen und sich mit einem der einflussreichsten und gleichzeitig jähzornigsten Männer im Ort anlegen. Wenn das nur gut ging.
»Wussten Sie, dass das Gebäude, in dem sich das Hotel jetzt befindet, früher mal das Rathaus war? Meine Tante Ruth hat mir mal erzählt, dass …«
Mittlerweile bereute Danzer, dass er Oliver mitgenommen hatte. Der Junge würde mit seiner ewigen Laberei allen auf die Nerven gehen, und sie würden einen noch schlechteren Eindruck hinterlassen als unbedingt nötig. »Am besten du verhältst dich bei der Befragung ganz ruhig«, sagte er. »Überlass das Reden mir. In Ordnung?«
Oliver nickte. »Kein Problem. Ich werde ganz genau zuhören, da kann ich sicher noch was lernen. Das ist ja alles so aufregend.«
Sie passierten den Hotelpagen, der das Auftauchen der beiden Polizisten mit stoischer Miene zur Kenntnis nahm, und gingen direkt zur Rezeption, wo sie vom Concierge kritisch gemustert wurden. Sein Blick blieb erst an Olivers Grinsen und dann an Danzers Hosenbein hängen. Was er sah, schien ihm nicht unbedingt zuzusagen, denn er zog eine Augenbraue hoch und schüttelte wortlos den Kopf.
»Was ist denn hier schon wieder los?« Hölzel war aus einer Hintertür getreten und eilte, nachdem er sich vergewissert hatte, dass keine Gäste anwesend waren, eilig auf die Polizisten zu.
Danzer, der sich wie ein Kaninchen fühlte, das von einer Schlange attackiert wurde, rang nach Luft. »Äh, nichts«, sagte er. »Wir sind nur hier, um Ihnen ein paar Fragen zu stellen. Alles ganz harmlos.«
»Harmlos?« Hölzel stemmte die Hände in die Hüften und plusterte sich zu seiner vollen Größe auf. »Wir sind das nobelste Haus am Platz und haben einen Ruf zu verlieren. Schon Ihre pure Anwesenheit ist alles andere als harmlos. Können Sie denn nicht vorher anrufen? Oder zumindest etwas unauffälliger sein?« Er deutete auf die Uniformen. »Was sollen denn die Gäste denken? Kommen Sie!«
Er führte Danzer und Oliver, der bisher ganz brav den Mund gehalten hatte, hinauf in sein Büro, wo er sich in den großen Chefsessel hinter seinem Schreibtisch setzte und die Polizisten nebeneinander auf einer kleinen Sitzbank Platz nehmen ließ.
Die beiden kamen sich wie Schuljungen vor, die ins Büro des Rektors zitiert worden waren. Kindheitserinnerungen kamen hoch. Und zwar nicht unbedingt die von der guten Sorte.
»Wenn Sie hier sind, um mich mit unverschämten Anschuldigungen zu beleidigen, können Sie gleich wieder verschwinden. Mein Anwalt hat gesagt, dass ich keine Fragen beantworten
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