Neumond: Kriminalroman (German Edition)
verzog das Gesicht. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
»Dann sag einfach nichts.« Danzer war hochgradig zufrieden. So gut hätte er sich diesen Tag nicht einmal im Traum vorgestellt. Ein kooperativer Hölzel und ein schweigender Oliver.
Es geschahen tatsächlich noch Zeichen und Wunder.
37
»Sie hatte anscheinend Angst.«
»Wie? Wer? Wovor?« Morell, der gerade auf dem Weg zu Dr. Bertoni war, als sein Handy geläutet hatte, hatte keinen blassen Schimmer, wovon Danzer sprach.
»Frau Hölzel. Wir waren gerade bei ihrem Sohn.«
»Er hat mit Ihnen geredet? Hut ab!«
»Oliver hat’s gerichtet. Ungewollt, aber doch.« Danzer lachte. »Ich erzähle Ihnen nachher die ganze Geschichte.«
»Ich bin gespannt. Aber zurück zu Frau Hölzel. Vor wem hatte sie Angst?«
»Angst ist vielleicht übertrieben. Sie hat mit anderen Frauen Karten gespielt, und eine davon war ihr unheimlich. Hölzel ist nicht ganz sicher, ob sie einfach nur übertrieben hat, oder ob tatsächlich etwas dahinter steckt. Ich dachte, ich sage Ihnen zur Sicherheit kurz Bescheid.«
»Ich werde der Sache nachgehen.« Morell wollte schon auflegen, als ihm noch etwas einfiel. »Schöne Grüße an Oliver. Sieht so aus, als könnte aus unserer kleinen Nervensäge eines Tages doch ein guter Polizist werden.«
»Ich werde es ihm später ausrichten. Momentan sitzt er stumm in einer Ecke und sinniert über das Vorleben seiner Mutter nach. Ich möchte die Ruhe noch ein bisschen genießen.«
Morell verabschiedete sich, legte auf und klopfte an Bertonis Tür. ›Wer der alten Frau Hölzel wohl unheimlich gewesen war?‹, überlegte er, während er darauf wartete, hineingebeten zu werden. Weder die gebrechliche Frau Hanauer noch die elfenhafte Frau Salm wirkten einschüchternd – im Gegenteil. Am ehesten noch Frau Gruber mit ihrem derben Humor …
»Ja bitte!«, ertönte Bertonis Stimme, und Morell musste die Gedanken an die drei Frauen vorerst zurückstellen.
Er trat ein und stellte fest, dass Bertonis Räumlichkeiten gar keinen so großen Eindruck mehr auf ihn machten, nachdem er in Hölzels Büro gewesen war.
»Was kann ich für Sie tun? Schwester Helen hat irgendetwas von einer alten Akte gesagt …«
Morell setzte sich und nickte. »Genau. Ich brauche alle Informationen, die Sie über eine gewisse Jutta Zöbich haben.« Auch der Stuhl war plötzlich nur mehr halb so toll …
Bertoni formte mit seinen langen, gepflegten Chirurgenfingern ein Zelt und stützte sein Kinn darauf. »Der Name sagt mir leider gar nichts. Wer soll das sein?«
»Jutta Zöbich war Krankenschwester hier im Sanatorium, bis sie 1976 verschwunden ist.«
» 1976 ? Da war ich mitten im Medizinstudium – in Bozen. Kein Wunder, dass ich mich nicht erinnere. Was ist mit ihr? Warum brauchen Sie Informationen über sie?«
»Sie ist vor ein paar Tagen wieder aufgetaucht.«
»Dann können Sie sie ja selber fragen.«
»Nicht wirklich.« Morell verlor sich in der wunderschönen Aussicht. Das war der einzige Punkt, in dem Bertonis Büro gegen das von Hölzel gewann.
»Weil?«
»Wie? Ach so. Schwester Zöbich ist tot. Ihre sterblichen Überreste lagern in Inspektor Danzers Büro. Sie hat zwar ihre Todesursache einer befreundeten Gerichtsmedizinerin verraten, aber mehr wird sie uns leider nicht mehr sagen können.«
»Ach so. Und Sie rollen den alten Fall jetzt neu auf?«
»Genau. Können Sie Schwester Helen also bitte sagen, dass sie mir die Akte raussuchen soll?«
»Aber natürlich«, sagte Bertoni, griff nach dem Telefon und erteilte die Anordnung.
»Danke.« Morell stand auf. »Zu Schwester Sabine ist Ihnen nicht zufällig noch etwas eingefallen?«, fragte er beim Hinausgehen.
»Glauben Sie mir, ich habe mir das Hirn zermartert, aber ich kann Ihnen leider auch nicht mehr sagen als beim letzten Mal. So gern ich helfen würde …«
»Können Sie vielleicht. Ihre Patientin Frau Hölzel ist ja letzte Woche hier im Sanatorium verstorben. Gab es da vielleicht irgendwelche Ungereimtheiten?«
Dr. Bertoni runzelte die Stirn. »Also, Sie stellen vielleicht Fragen … Wie kommen Sie denn jetzt auf Frau Hölzel?«
»Ach nur so. Das wäre jetzt zu kompliziert, um es zu erklären.«
»Wie auch immer: Bei Frau Hölzels Tod gab und gibt es keine Ungereimtheiten.«
Morell versuchte Bertonis Mimik zu deuten, was ihm nicht ganz gelingen wollte. Ärger? Verunsicherung? Gereiztheit? Oder war er einfach nur müde und überarbeitet?
»Sonst noch was? Oder soll ich lieber
Weitere Kostenlose Bücher