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Neumond: Kriminalroman (German Edition)

Neumond: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Neumond: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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sollte ich denn so etwas tun?«
    Nina glaubte ihr kein einziges Wort. Die alte Frau war eine furchtbar schlechte Schauspielerin. Da hatte sie von Leander schon bessere Auftritte gesehen. »Das ist allerdings eine gute Frage. Also? Warum haben Sie es getan?«
    »Ich sagte doch gerade, dass ich es nicht war.«
    »Was, wenn ich Ihnen das nicht glaube?«
    »Das ist dann Ihr Problem. Ich steige jedenfalls nicht in fremde Häuser ein und beschmiere fremdes Eigentum. So etwas ist illegal.« Sie stemmte die Hände in die Hüften und kaute auf ihrer Unterlippe herum.
    Nina wartete, doch Steinbichler hatte anscheinend nichts mehr zu sagen. Die Alte war stur, aber das war Nina auch. »Steht das Angebot mit dem Tee noch?«
    Steinbichler, die froh war, dass das Thema gewechselt wurde, nickte. »Ich mache uns schnell welchen. Und danach lege ich Ihnen die Karten. Gratis. Ausnahmsweise.« Sie verschwand in Richtung Küche.
    Nina schaute ihr hinterher, und als sie sicher war, dass die Alte außer Hörweite war, ging sie zu der großen Truhe und öffnete sie. Sie war sich zu hundert Prozent sicher, dass Steinbichler etwas mit der Schmiererei zu tun hatte. Fragte sich nur was. Und da die Alte offensichtlich nicht darüber reden wollte, blieb Nina nichts anderes übrig, als fragwürdige Mittel, wie etwa wahlloses Herumschnüffeln, zum Einsatz bringen.
    »Das Wohl des Kindes steht im Vordergrund«, versuchte sie sich ihre Aktion schönzureden, und wühlte in den absurden Dingen herum, die in der Kiste lagen: abgebrannte Kerzen, gehäkelte Spitzendeckchen, Haarlocken, Engelsfiguren, Holzgnome, ein violetter Sack, der kleine Knochenstücke enthielt …
    Nina warf den Sack angewidert zurück in die Truhe, als sie eine dicke braune Spinne darauf entdeckte. »Brrr.« Sie hatte die Viecher noch nie ausstehen können. ›Die haben mehr Angst vor dir, als du vor ihnen‹, hatte ihre Mutter immer gesagt. Aber die Angst war nicht das Problem. Das Problem war der Ekel. Denn ja, auch sie, die ihren Arbeitsalltag damit verbrachte, tote Menschen aufzuschneiden, ekelte sich vor gewissen Dingen. Allen voran Spinnen.
    Sie drehte sich um, um sicher zu gehen, dass Steinbichler sich nicht wieder lautlos angeschlichen hatte. Niemand. Gut. Wie lange es wohl dauerte, einen Tee zu machen? Ihre Intuition sagte ihr, dass gerade noch genügend Zeit war, um in eine der Schubladen zu schauen.
    Sie entschied sich für die unterste. Wenn sie etwas Kompromittierendes verstecken müsste, würde sie es so weit weg aus ihrem Blickfeld wie möglich räumen. Auf diese Weise würde sie nicht so oft daran erinnert werden und müsste sich nicht so häufig vor sich selbst genieren.
    Sie zog die Lade zur Hälfte auf und hielt überrascht inne. Sie hatte keine Ahnung, was sie eigentlich erwartet hatte. Aber damit hatte sie nicht gerechnet: Die Schublade war randvoll mit Medikamentenpackungen.
    Nina schluckte und fühlte sich plötzlich furchtbar schäbig. Es war eine Sache, eine verrückte Alte zu bespitzeln. Es fühlte sich aber nicht richtig an, in den Sachen einer kranken Frau herumzuschnüffeln. Woran sie wohl litt? Nina tippte auf Krebs. Es war doch fast immer Krebs. Brust, Darm, Lunge, Gebärmutter, Magen. Die Top fünf in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit.
    Betroffen wollte sie die Schublade wieder zumachen, als ihr Blick an einem der Medikamente hängenblieb. Haldol. Hauptinhaltsstoff: Haloperidol. Das war kein Mittel gegen Krebs. Das war ein Neuroleptikum. Sie griff nach einer anderen Schachtel. Leponex. Hauptwirkstoff: Clozapin. Diese Medikamente wurden bei schizophrenen Psychosen eingesetzt. Bei Menschen, die unter Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Ich-Störungen litten.
    Schnell schob sie die Schublade zu und hastete zurück zum Tisch. Ihre Meinung über Steinbichler hatte sich zum zweiten Mal in weniger als einer Minute geändert. Von der verrückten Alten zur armen todkranken Frau zurück zur verrückten Alten. Aber dieses Mal diagnostiziert. Klinisch. Real. Mit jemandem, der einen so argen Schaden hatte, dass er diese Unmengen an Tabletten nehmen musste, wollte sie sich lieber nicht anlegen.
    »So, da ist er schon, der Tee.«
    Schon wieder hatte sie Steinbichler nicht hereinkommen hören. Wie lange stand sie schon da? Nina schauderte. Sie war allein mit einer Psychopathin.
    Steinbichlers Gesicht führte einen Zuckmückentanz auf.
    Allein mit einer nervösen Psychopathin.
    »Danke, das ist sehr nett von Ihnen.« Nina, die am liebsten schnell weggerannt wäre,

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