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Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Titel: Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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hatte. »Sie hieß Chantal. Chantal Pielicz.«

    Jolin hatte Anna angesehen, wie erstaunt auch sie darüber war, dass Leo den Namen der Frau offensichtlich in Erfahrung gebracht hatte, und sie wurde das Gefühl nicht los, dass er ihnen noch mehr verheimlichte. Später, nachdem die beiden sich verabschiedet hatten und Jolin einen Blick auf ihren Kalender warf, verdichtete sich dieses Gefühl zur Gewissheit.
    Dienstag, der 30. April, war Neumond. Die Verschönerungsaktion in der Containersiedlung fand zwar am Nachmittag und frühen Abend statt, aber das spielte für die besondere Magie dieses Tages wohl nur eine untergeordnete Rolle.
    Für einen kurzen Augenblick überfiel Jolin eine ohnmächtige Angst, doch sie kämpfte entschlossen dagegen an.
    Was konnte Leo schon wissen? – Nichts, gar nichts! Vielleicht hatte er sich unter den Containerbewohnern umgehört und daraus seine Schlüsse gezogen, am Ende blieben ihm dennoch nur Vermutungen. Und selbst wenn er Neumond- und Vollmondnächten tatsächlich eine besondere Bedeutung zumaß – was sollte er schon groß ausrichten?
    Mit Knoblauch, Christuskreuzen und Metallsplinten war einem Vampir jedenfalls nicht beizukommen. Jolin hätte fast laut losgelacht bei der Vorstellung, wie Leo mit einer Knoblauchknolle oder einem Hammer und einem Splint in der Hosentasche hinter Rouben oder Vincent herrannte.
    Rouben und Vincent … und Klarisse – sie waren diejenigen, von denen eine echte Gefahr ausging, aber selbst die war bei genauerer Betrachtung zum Glück nur relativ.
    Jolin zog ihren Kollegblock zu sich heran, nahm einen Stift und versuchte, die Szene zu skizzieren, die sich in knapp zwei Wochen abspielen würde, kam aber zu keinem befriedigenden Ergebnis.
    »… und nur in einer Frühlingsnacht des sich erneuernden Mondes …«, murmelte Jolin, während sie auf den Wandkalender starrte und mit dem Stift kleine schwarze Punkte auf den Block tippte.
    Rouben würde zu einem Vampir werden und auf der Stelle irgendwo in der Welt der Dunkelheit verschwinden, und zwar weit weg von ihr, denn Vincent und seine Familie würden nicht das Risiko eingehen, dass er zurückkommen und seinem Halbbruder die Stellung noch einmal streitig machen könnte.
    Vincent würde sich in einen Menschen verwandeln und versuchen, ihr Herz zu erobern, was natürlich völlig absurd war, das musste sogar er selbst längst erkannt haben.
    Jedenfalls würden weder er noch Rouben eine Gefahr für irgendjemanden in ihrer Stadt sein, allenfalls Klarisse, die ja ebenfalls auf eine vollständige Verwandlung hoffte. Aber nein, Jolin schüttelte den Kopf, Klarisse würde mit Rouben gehen und ebenso wie er ihren Durst an einem anderen Ort dieser Welt und auf einer anderen Zeitebene stillen.
    Zurück blieben nur Vincent als einfacher, sterblicher Mensch ohne besondere Fähigkeiten und behaftet mit dem Verdacht, eine Frau ermordet zu haben, und sie, Jolin, die ihn nicht wollte, ihn hassen und verfolgen würde wie jeder andere in dieser Stadt. Und genau hier lag der Fehler in der Geschichte. Vincent würde sein Menschsein nicht genießen können, seine Verwandlung war sinnlos. Absolut sinnlos.
    Wut kochte in Jolin hoch. Sie sprang von ihrem Stuhl auf und begann, im Zimmer auf und ab zu laufen. Es ging also einzig und allein darum, dass er Rouben das Glück nicht gönnte. Er wollte es zerstören und nahm dafür seinen eigenen – von den Vampiren ja angeblich so herbeigesehnten – Tod in Kauf.
    »Du widerliche, sadistische Bestie!«, fauchte Jolin. Unzählige Bilder, wie sie ihn quälen und am Ende vernichten würde, rasten durch ihren Kopf. Doch nichts davon war auch nur annähernd mit dem zu vergleichen, was Rouben und sie durchlitten. Vincent würde nie erfahren, wie es war, jemanden zu lieben und auf eine solch entsetzliche Weise zu verlieren. Und deswegen wäre auch jede Form der Rache an ihm völlig sinnlos.
    Sinnlos! Sinnlos! Sinnlos!
    Mit diesem Wort brach Jolin in sich zusammen. Sie sank auf die Fensterbank, lehnte ihre heiße pulsierende Schläfe gegen die kühle Scheibe und richtete ihren Blick zur Dachtraufe.
    Er war nicht viel mehr als ein Schatten, aus dem seine Augen nahezu unwirklich hervortraten. Sie waren tiefschwarz mit einem flammenroten Funkeln darin. Jolin spürte die Wärme in ihrem Herzen. Wut und Verzweiflung lösten sich darin auf und hinterließen eine wohltuende Stille.
    »Ich weiß, dass du mich willst«, flüsterte sie. »Und am Ende wirst du dich auch nicht mehr dagegen wehren

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