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Neun Tage Koenigin

Neun Tage Koenigin

Titel: Neun Tage Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Meissner
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gewesen, aber sie war die Tochter einer Königin, die wegen Ehebruchs enthauptet worden war. Wenn Maria in der Thronfolge übergangen wurde, dann musste dasselbe auch für Elisabeth gelten. Die Nächste in der Thronfolge wäre dann Frances Brandon Grey gewesen, Janes Mutter. Und genau an dieser Stelle, so vermutete Nicholas, hatte John Dudleys Plan Gestalt angenommen. Frances Grey war zu alt, um selbst noch Kinder zu bekommen, und sie hatte keinen Sohn, sondern nur Töchter. Ihre Tochter Jane jedoch war jung und gesund und im gebärfähigen Alter, und sie war eine leidenschaftliche Protestantin und Angehörige der anglikanischen Kirche.
    Dudley hatte Janes Eltern bei den Eheverhandlungen Ende April wahrscheinlich versichert, er hätte einen Plan, wie er ihre Tochter auf den Thron bringen könne, dass es für diesen Plan jedoch unerlässlich sei, dass Frances zugunsten von Jane auf den Thron verzichte und dafür sorge, dass Jane und Dudleys Sohn heirateten. Das wäre auch eine Erklärung für die übereilte Verlobung und die rasche Heirat und das Getuschel im Haushalt der Dudleys nach der Hochzeit gewesen.
    John Dudley hatte ja bereits seit Monaten gewusst, dass der König im Sterben lag.
    Und es gab noch einen weiteren Grund, weshalb Dudley dem König wahrscheinlich geraten hatte, sein Testament zu ändern. Wenn Jane Königin wurde und Dudleys Sohn ihr Ehemann war, standen John Dudley alle Türen offen. Mithilfe dieses Plans konnte er gleich mehrere Ziele erreichen: Er konnte den Einfluss der katholischen Kirche ausschalten, sein Sohn würde zur Rechten der Königin von England sitzen, und eines Tages würde ein Dudley Erbe dieses Thrones sein.
    All diese Vermutungen von Nicholas leuchteten mir ein, und mir wurde klar, dass Jane aufs Schlimmste missbraucht und ausgenutzt worden war.
    „Arme Jane“, klagte ich.
    Nicholas sagte, es obläge uns, für sie und für unser Land zu beten. Die vor uns liegenden Tage und Wochen würden sicher nicht ohne Zwischenfälle verlaufen.
    Ich fragte ihn, was er damit meine, woraufhin er antwortete, dass es nie problemlos vonstattengehe, wenn ein Monarch stürbe, der keine direkten Erben hätte.
    Am 10. Juli verließen Nicholas und ich am Vormittag das stille Schulgelände – die Jungen waren mittlerweile in die Sommerferien nach Hause gefahren – und nahmen eine Kutsche zum Themseufer, um von dort aus zuzuschauen, wie Jane auf einer Barke in einer feierlichen Prozession von Syon House zum Königssitz nach White Tower gebracht wurde. Am Themseufer wimmelte es von neugierigen Männern und Frauen jeden Alters und Standes, die wissen wollten, wer die junge Lady war, die von Eduard zu seiner Nachfolgerin bestimmt worden war.
    Es herrschte eine gedämpfte Stimmung in der Menge, und es gab weder Jubelrufe noch fröhliche Musik zur Begleitung der Prozession. Ich konnte Jane kaum sehen, als sie aus der Barke stieg und die Stufen zum Tower emporschritt, denn sie wurde von allen Seiten von den mächtigen Männern flankiert, die diese seltsame Wendung der Dinge eingefädelt hatten. Sie hatte Mühe, in einem reich mit Edelsteinen besetzten Kleid zu gehen, das ich noch nie an ihr gesehen hatte. Irgendwann entdeckte ich dann, dass sie dicke Holzschuhe trug, damit sie größer wirkte, als sie tatsächlich war.
    „Sie sieht aus, als hätte sie Angst“, sagte ich zu Nicholas.
    Ein Mann in Kaufmannskleidung, der vor uns stand, wandte sich an seinen Nebenmann und sagte: „Sie ist nicht einmal die Tochter eines Königs.“
    „Pass auf, was du sagst“, raunte der andere zurück.
    „Die rechtmäßige Erbin ist Maria!“
    „Pssst! Sei still, sonst landen wir noch beide am Galgen.“
    „Was John Dudley getan hat, ist nicht recht. Er wird damit keinen Erfolg haben. Denke an meine Worte!“
    Der zweite Mann schüttelte den Kopf und entfernte sich dann lieber von dem Kaufmann und seiner Hetzrede.
    Ich griff nach Nicholas’ Arm, und er führte mich zurück zu unserer Kutsche und in die stillen Räume unserer Schule.
    Im Laufe der nächsten beiden Tage war auf den Straßen und in den Wirtshäusern Gerede zu hören, dass John Dudley versucht hätte, Prinzessin Maria zu entführen und gefangen zu setzen, bevor sie vom Tod des Königs und der Thronnachfolge durch Jane erführe, doch dieser Plan war vereitelt worden. Maria war nicht in die Falle getappt, die Dudley gestellt hatte, und von einem Geheimversteck aus hatte sie an den Kronrat geschrieben und versprochen, Milde walten zu lassen, wenn dieser sein

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