Neun Tage Koenigin
als sie erneut eine Bowle zubereitet und mich damit geneckt hatte, dass ich mir einmal gewünscht hätte, Kyle und nicht Brad zu heiraten. „Du würdest jetzt mit einem Reisigbesen Tausendfüßler auf deinem Hüttenboden jagen, wenn du Kyle geheiratet hättest“, hatte sie gesagt.
Ich hatte zu meinen Eltern hinübergeschaut, die gerade ganz dicht beieinanderstanden, weil ein Fotograf ein Bild von ihnen machte, und hatte zu Leslie gesagt, dass unsere Mutter niemals für Papa Tausendfüßler gejagt hätte, woraufhin sie gelacht hatte. „Nein, ganz sicher nicht.“ Aber sie hatte auch zu ihnen geblickt, und ihr Lachen ebbte ab.
Unsere Mutter hätte mit Sicherheit eine Möglichkeit gefunden, ihre Hütte in der Dritten Welt fliesen zu lassen.
Nachdem wir und die Mädchen mehrere kleine Schachteln mit chinesischem Essen verputzt und ein paar Folgen Friends angeschaut hatten, rief Molly mir ein Taxi. Als wir draußen vor dem Haus auf das Taxi warteten, fragte sie mich, ob ich auch genügend Schlaf bekäme.
„Keine Ahnung.“
„Du siehst erschöpft aus, meine Liebe“, sagte sie.
Ich zuckte nur wortlos mit den Schultern.
Mollys Stimme bekam einen beinah mütterlichen Tonfall. „Es ist jetzt schon über zwei Monate her, Jane. Meinst du nicht, dass es gut wäre, dir professionelle Hilfe zu suchen? Du kannst doch nicht weiter mit drei, vier Stunden Schlaf pro Nacht auskommen.“
Ich schniefte ein bisschen. „Aber ich will keine Schlafmittel nehmen.“
„Ich habe ja auch nicht gesagt, dass du Tabletten nehmen, sondern dass du dir Hilfe suchen sollst. Jemanden, der dir dabei hilft, alles zu sortieren, damit du nachts schlafen kannst.“
Sortieren . Mich aussortieren .
„Du meinst einen Psychiater?“
„Nein, ich meine einen Therapeuten. Du bist nicht verrückt, Jane. Du bist verletzt. Du bist einsam. Du bist enttäuscht. Du bist verunsichert.“
„Vielen Dank auch.“
Sie überging meinen lockeren Sarkasmus. „Das ist einfach zu viel, als dass eine einzelne Person damit fertigwerden kann. Kein Wunder, dass du nicht schlafen kannst. Du musst mit jemandem darüber sprechen, Jane. Mit einem Profi.“
Ich schwieg. Ich wollte etwas ganz anderes. Ich wollte es nämlich am liebsten einfach aussitzen, nicht verarbeiten. Es gibt Leute, die hassen es zu warten. Zu denen gehöre ich jedenfalls nicht.
Molly beendete das Schweigen zwischen uns. „Hier im Haus gibt es einen Psychologen, der als Therapeut arbeitet.“
Ich wandte mich ab von ihr und von dem, was sie sagte. Es kränkte mich.
„Er ist kein Psychiater, Jane, sondern Therapeut, Berater. Wir begegnen uns ständig im Aufzug. Er kommt mir ziemlich klug und ausgeglichen vor, und er hat Humor. Er macht das beruflich, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, Jane.“
Sie zog eine Visitenkarte aus der Hosentasche und gab sie mir. D. Jonah Kirtland. Diplompsychologe, Psychotherapeut. Sie hatte das also richtiggehend geplant.
„Und du läufst immer mit seinen Visitenkarten in der Hosentasche herum?“
„Du bist meine beste Freundin, Jane. Ich habe ihn heute Morgen im Aufzug um eine Karte gebeten und ihm gesagt, dass ich sie dir geben würde.“
Ich strich über die Buchstaben seines Namens. „Jonah. Wie der Wal.“
„Nein, Jonah wie der Typ, der von einem Wal verschluckt wurde und wieder herausgekommen ist.“
Der breite Streifen in Kornblumenblau über Jonah Kirtlands Namen und auch die unaufdringliche Schrift darunter wirkten irgendwie beruhigend. Und es gab auch kein künstlerisches Logo, mit dem er Eindruck schinden wollte.
„Du hast ihm meinen Namen gesagt?“
Molly atmete leise aus. „Ja.“
„Hast du ihm sonst noch etwas erzählt?“
„Ich habe ihm gesagt, dass du gerade eine schwere Zeit durchmachst und dass du nachts nicht schlafen kannst.“
Ich rieb mit dem Finger über die glatte Ecke der Karte.
„Und ich nehme an, du hast ihm auch erzählt, warum.“
Wieder folgte ein Ausatmen, dieses Mal ein bisschen lauter. „Ja, das habe ich. Ich habe ihm gesagt, dass dein Mann ausgezogen ist und dass das für dich absolut überraschend kam. Es tut mir leid, wenn dir das nicht recht ist. Aber ich habe es getan. Er hat gesagt, er würde dir gern einen Termin geben.“
Ich steckte die Karte in die Tasche und spürte, dass ich rot geworden war, weil ich erneut daran erinnert wurde, wie naiv es von mir gewesen war, Brads Entscheidung nicht kommen zu sehen.
„Bist du jetzt sauer auf mich?“, fragte Molly.
„Nein.“
„Rufst du ihn
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