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Neun Tage Koenigin

Neun Tage Koenigin

Titel: Neun Tage Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Meissner
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verlassen. Es war der Abend, an dem immer Stacy bis zum Ladenschluss blieb und dann abschloss. Ich war gerade in meiner Wohnung angekommen, hatte die Schuhe ausgezogen und ging flüchtig die Post durch, als mein Handy klingelte. Es war Molly, die mich zum Abendessen einlud; Jeff war bei einem Baseballspiel, und nur sie und die Mädchen waren zu Hause. Ich lehnte dankend ab, aber sie setzte mir so lange zu, bis ich schließlich einwilligte. Es gefiel ihr nicht, wenn ich Abend für Abend allein zu Hause aß.
    Wir beendeten das Gespräch, und ich zog meine Geschäftskleidung aus und Jeans und Pulli an. Als ich danach die Küche betrat, wollte ich noch kurz meinen Lippenstift aus der Tasche holen, die ich immer zur Arbeit mitnahm, und berührte dabei das Päckchen mit dem Gebetbuch und dem Rosenkranz. Vorsichtig nahm ich es heraus und legte es in die Mitte des Tisches. Während ich mir die Lippen schminkte, betrachtete ich es. Als ich fertig war, nahm ich noch eine Flasche Rotwein aus dem Weinregal und machte mich auf den Weg zu Mollys und Jeffs Wohnung, die sieben Blocks von meinem Apartment entfernt war.
    Ich kannte Molly seit meinem ersten Studienjahr an der Universität von Boston. Ihr älterer Bruder Tom hatte Brad schon vor mir gekannt, und auf einer Geburtstagsparty bei Tom hatten Brad und ich uns dann kennengelernt. Molly hatte schon oft gesagt, dass ich ohne sie nie meinen Mann kennengelernt und geheiratet hätte.
    Als ich ihr von Brads Umzugsplänen erzählt hatte und dass ich diesen Schritt nicht hatte kommen sehen, hatte sie mir keine Ratschläge erteilt, sondern nur gesagt, Frauen seien schließlich keine Gedankenleser.
    „Was für Signale hättest du denn sehen sollen?“, hatte sie mich gefragt.
    Ja, was für Signale eigentlich?
    Molly und Jeff waren schon kurz nach ihrer Hochzeit, also lange vor Brad und mir, nach Manhattan gezogen. Jeff war Investmentbanker und ein treuer Fan der New York Yankees , und er redete kaum über etwas anderes als über Aktien und Baseball. Molly war Direktorin einer Privatschule, die auch ihre zwölf Jahre alten Zwillingstöchter besuchten und an der Connor zwei Jahre zuvor seinen Abschluss gemacht hatte.
    Ich glaube, Brad und Jeff waren sich so nah, wie sich zwei Männer nah sein können, die kaum gemeinsame Interessen haben. Brad las gerne Biografien und zog Aktivitäten zu Wasser jeder Sportübertragung im Fernsehen vor. Brad und Jeff standen sich also zwar nicht besonders nah, aber sie hatten Zeit miteinander verbracht; sie hatten geredet. Bisher hatte ich Jeff noch nicht gefragt, ob er gewusst hatte, wie frustriert Brad über unsere Ehe gewesen war, und deshalb war ich auch froh, dass er an diesem Abend nicht zu Hause war. Irgendwie hegte ich die Befürchtung, Jeff könnte vor mir von Brads Plänen gewusst haben. Ich trat aus dem Haus in den Strom von Fußgängern hinein – manche in Anzügen, manche leger in Jeans –, die nach Feierabend aus dem Stadtzentrum zurück in die Wohnviertel strömten.
    Brad konnte den Zauber dieses Menschenmeeres von Manhattan nie entdecken. Sich auf das permanente Menschengedränge einzulassen war eines der Zugeständnisse gewesen, die er gemacht hatte, als wir in dem Jahr, in dem Connor dreizehn geworden war, nach Manhattan gezogen waren. Auf meinem Weg zu Molly – auf dem ich immer wieder unterschiedlichste Menschen aller Schichten und ethnischer Herkunft streifte – kam mir in den Sinn, dass Brad in dem Jahr, als Connor dreizehn geworden war, schon einmal eine Entscheidung getroffen hatte, die für uns als Familie alles verändert hatte. Durch die langen Arbeitszeiten im Memorial -Krankenhaus und die einstündige – manchmal längere –
Fahrtzeit zu uns nach Long Island war Brad viel zu viele
Stunden des Tages von Connor und mir getrennt gewesen. Irgendwann hatte er dann entschieden, an die Upper West Side zu ziehen, und zwar ohne zuvor auch nur mit mir darüber geredet zu haben. Es war ja auch ganz einfach gewesen, diesen doch recht schwerwiegenden Schritt vor mir zu rechtfertigen, indem er sagte, er täte es für Connor und mich.
    Als ich in die Straße einbog, in der Mollys und Jeffs Apartmenthaus lag, fragte ich mich gerade, ob Brad vielleicht schon damals das Gefühl gehabt haben könnte, dass wir nur noch nebeneinanderher lebten und dass er vielleicht auch deshalb diesen ziemlich spontanen Schritt unternommen hatte, um etwas daran zu ändern.
    Mir hatte es damals nichts ausgemacht, nach Manhattan zu ziehen, ja, ich hatte es im

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