Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
Vom Netzwerk:
Toyota gelassen hatten, ging die Suche leer aus. Die Soldaten räumten den Inhalt der Rucksäcke wieder ein und warfen sie sich über die Schultern.
    „Mein Ausweis ist im Auto“, sagte Leonard kühl, in der Hoffnung Autorität auszustrahlen.
    „Ich weiß, wer Sie sind, Dr. Cook“, fuhr ihn der Anführer bissig an.
    „Gut. Dann dürfte Ihnen ja auch klar sein, dass hier ein Missverständnis vorliegt.“
    „Ein Verräter ist ein Verräter.“
    „Ich war—“
    „Unseren Unterlagen zufolge ist es nicht vorgesehen, dass Sie heute jemanden in der Klinik besuchen. Und ganz offensichtlich gehen Sie keinen medizinischen Aufgaben nach, wenn Sie hier draußen mit Rucksäcken und Camping–Ausrüstung ihre Zeit vertrödeln.“ Er schwenkte sein Gewehr in Richtung Highway 40. „Bewegung.“
    Mit hinter dem Kopf verschränkten Händen trotteten Leonard und Natalia den Feldweg entlang. Die Soldaten liefen schweigend hinter ihnen her. Obwohl Leonard der Meinung war, sich in einem ordentlichen Tempo fortzubewegen, stieß ihm der Anführer gelegentlich sein Gewehr in den Rücken.
    Jedes Mal, wenn ihr Vater nach vorne stolperte, füllten sich Natalias Augen mit Tränen.
    Als der Anführer hörte, wie Natalias Lippen ein leichtes Schluchzen entwich, sagte er schroff: „Hör auf zu heulen und beweg dich.“
    Natalia schniefte und schluckte schwer. Mit dem Kolben seines Gewehrs berührte der Mann die Schulter des Mädchens. Leonard musste sich unglaublich zusammenreißen, um nicht sofort auf den Soldaten loszugehen und ihm einen Schlag ins Gesicht zu verpassen; aber er wusste, dass ein solches Manöver zu einer Schießerei oder einer Tracht Prügel führen würde. Er sah zu seiner Tochter rüber. Willensstark und trotzig hielt sie die Luft an und zog die Augenbrauen zusammen, um ihre Gefühle zu unterdrücken. Ihr Gesicht wurde rot, bevor sie sich entspannte und einen teilnahmslosen Ausdruck aufsetzte.
    Der Anführer bemerkte, dass Leonard seinen Kopf zu Natalia gedreht hatte, und stieß ihn an der Schulter nach vorne, damit er wieder geradeaus sah. Leonard wollte sie so gerne berühren und halten, um sie zu trösten, aber er war machtlos in dieser Situation.
    Als sie am Highway 40 ankamen, sahen sie drei unbekannte Fahrzeuge und den Toyota auf der Straße. Der am nächsten stehende Wagen war ein weißer Van mit abblätterndem Lack, dessen hintere Doppeltür offen stand. Eine Sperrholzplatte teilte den Van in zwei Bereiche. Die Soldaten stießen Leonard auf der rechten Seite der Trennwand in den Wagen und Natalia in die linke Hälfte. Dann warfen sie die Türen zu.
    „Natalia, alles in Ordnung?“, rief Leonard, als der Van sich in Bewegung setzte.
    Er konnte ihre gedämpfte Antwort nicht verstehen.
    Der Wagen hielt plötzlich abrupt an, sodass Leonard das Gleichgewicht verlor und sich den Kopf stieß. Er überprüfte mit der Hand, ob er blutete. Ein lautes Hämmern an der Seite des Vans hallte im Innenraum wider und verschlimmerte Leonards Kopfschmerzen.
    „Schnauze da drin, verdammt nochmal“, brüllte eine tiefe Stimme.
    Natalia fing an zu schluchzen.
    „Ich hab Schnauze gesagt, verdammt.“
    Sie konnte sich nicht beherrschen.
    Eine Tür öffnete sich, es war die auf Natalias Seite. Leonard eilte nach vorne. Obwohl die Wächter sein Abteil nicht öffneten, konnte er durch einen schmalen Schlitz zwischen seiner Tür und der Holztrennwand einen Blick nach draußen erhaschen. Was er sah, schockierte ihn. Ein kleiner, dicker Wächter zog Natalia aus dem Van und warf sie auf den Boden. Sie hatte panische Angst und schrie.
    „Ich hab“, stieß der Soldat aus und trat ihr in die Seite. „Schnauze.“ Tritt. „Gesagt.“ Tritt. „Verdammt.“
    Sie wich zurück und rollte sich in die Embryonalstellung zusammen.
    Leonard schrie und rüttelte hysterisch an seiner Tür. „Lass sie in Ruhe.“
    Der dicke Soldat richtete nun seine Aufmerksamkeit auf Leonard und stürmte auf den Van zu. Er entriegelte die Tür und schleuderte sie auf. Sie krachte gegen die Seite des Wagens.
    Der Soldat zog Leonard aus dem Van. „Hast du mir etwas zu sagen, Verräter?“, fragte er nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. „Machst du dir etwa Sorgen um deine hübsche, kleine Nichte?“, sagte er sanft und leise, während er Leonard gegen den Van drückte. Er ging wieder zurück zu Natalia und das Verhalten des Mannes änderte sich plötzlich drastisch. Er half ihr auf die Beine. Sobald sie sicher stand, fuhr er mit der Hand ihr Gesicht bis

Weitere Kostenlose Bücher