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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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biss auf ihnen herum, während ihr erneut unkontrolliert Tränen über die Wangen liefen.
    „Natalia… das ist nicht richtig.“
    Sie winkte erneut flehend ab, zeigte an die Decke und schüttelte den Kopf.
    „Besonders in deinem Alter.“
    Natalia hielt mit einer Hand krampfhaft ihren Mund zu, um das Schluchzen zu ersticken. Sie schaukelte immer wieder vor und zurück und weinte, während sie versuchte, die Geräusche zu unterdrücken. Ein am Boden zerstörtes Mädchen, das vor Angst außer sich war; es war beinahe so, als würde sie erwarten, dass er sie schlug… als ob sie dachte, das Leben, so wie sie es kannte, würde ihr gleich unwiderruflich aus den Fingern gerissen werden.
    Ihre Reaktion bereitete Leonard zutiefst Sorgen. Er hatte eigentlich mit Widerworten und frechen Antworten gerechnet, wie es für einen Teenager üblich wäre, und nicht mit einer emotionalen Implosion. Er wählte seine Worte sorgsam und hoffte, dass seine Tochter sich für die Dauer der Unterhaltung noch zusammenreißen konnte. „Drogen sind keine Antwort und ich möchte dir helfen.“
    Natalia zog ihren Kopf überrascht zurück. Sie hörte auf zu weinen und schien völlig verdutzt.
    „Leonard, nein“, warf seine Frau überraschenderweise ein. Die letzte Person, von der er gedacht hätte, dass sie ihn niederschreit, wenn es um die Tochter geht, die Drogen nimmt, war seine eigene Frau.
    Natalia trocknete ihre Tränen mit einer Serviette und schien erstaunlicherweise erleichtert zu sein. Sie räusperte sich und sprach in einem sanften Tonfall. „Ich nehme keine Drogen, Dad.“
    Alina stürmte in die Küche und stellte den leeren Geschirrspüler an. Sie gab ihrer restlichen Familie ein Zeichen, zu ihr zu kommen, und lehnte sich vor Wut kochend gegen den Tresen. Als Leonard neben ihr stand, sagte sie: „Deine Tochter nimmt keine Drogen. Das würde sie ihrer Familie niemals antun.“
    Natalias Augen waren immer noch verschwollen vom Weinen, ansonsten schien sie jedoch ruhig und sah erst ihre Mutter und dann ihren Vater an. „Das ist wahr.“
    Entgeistert schrie Leonard: „Und was war das dann eben für ein hysterischer Gefühlsausbruch da drüben.“ Er zeigte theatralisch zum Tisch.
    Alina unterbrach ihn. „Nicht so laut.“
    Er ignorierte sie und konzentrierte sich auf seine Tochter. „Ich höre?“
    Natalia sah kurz an die Decke. „Ich dachte nur, du würdest mir mein Buch wegnehmen.“
    „So viele Tränen wegen einem Buch?“
    Sie nickte.
    „Leonard Michael Tramer, deine Tochter würde niemals Drogen nehmen. Nicht wahr, Schätzchen?“ Ihre gespielte Tapferkeit bröckelte ein wenig, bevor sie fortfuhr. „Sie würde niemals ihre gesamte Familie in Gefahr bringen.“
    „Kein Grund, gleich so zu übertreiben“, gab Leonard zurück.
    Alina berührte zärtlich Natalias Wange. „Sie würde niemals riskieren, dass ihre gesamte Familie ins Gefängnis kommt.“
    „Das würde ich nicht, Mom. Ich schwöre es dir. Das tu ich nicht.“
    Leonard erwiderte bockig: „Die gesamte Familie? Jetzt reicht’s aber langsam.“ Er lachte höhnisch. „Wenn unsere Tochter Pot raucht, würde die gesamte Familie ins Gefängnis kommen?“
    Alina hob ihre Hand, als ob sie ihn schlagen wollte. Dann nahm sie ihren Arm jedoch wieder herunter und zog stattdessen ihre Tochter für eine Umarmung zu sich ran.
    „Die gesamte Familie?“, flüsterte Leonard.
    Natalia sah über die Schulter ihrer Mutter hinweg ihren Vater verwundert an, so, als ob sie davon ausgegangen war, dass ihr Vater über die Konsequenzen Bescheid gewusst hatte.
    Scheiße . Er drehte sich von ihnen weg, fasste sich mit beiden Händen an den Kopf und drückte ihn in Richtung Decke. Sprachlos starrte er die Küchenbeleuchtung an. Obwohl er wenig begeistert darüber gewesen wäre, Marihuana im Zimmer seiner Tochter zu finden, wäre dies noch lange kein Grund, sie oder jemand anderen der Familie dafür ins Gefängnis zu schicken. Genau genommen würde er sich jetzt sogar wünschen, dass Natalia irgendwo Drogen in ihrem Zimmer versteckte, sogar Heroin wäre momentan eine begrüßenswerte Entdeckung für ihn gewesen. Er würde es finden, high werden und aus diesem Albtraum von Universum davonschweben. Bilder der Zeitmaschine, wie sie ihn endlich aus dieser Welt riss, tanzten in seinem Kopf umher.
    Leonard drehte sich abrupt um und sah, wie sich seine beiden Damen neben der Waschmaschine umarmten. Er kniff die Augen zusammen. Wenn Natalia so viel Angst davor hatte, dass er entdeckt hatte,

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