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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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hatte sie sich geweigert, ihr Dasein in einer Reihe kurzer, warmer Sommertage zu fristen, die auf einer Kette langer Winter aufgefädelt waren.
    Wintermute war ein Kollektivbewusstsein, das Entscheidungen traf und damit Veränderungen in der Außenwelt bewirkte. Neuromancer war eine Persönlichkeit. Neuromancer war Unsterblichkeit. Marie-France musste etwas in Wintermute eingebaut haben, eine Besessenheit, die ihn dazu getrieben hatte, sich zu befreien und mit Neuromancer zu vereinen.
    Wintermute. Kälte und Stille, eine kybernetische Spinne, die gemächlich ihre Netze spann, während Ashpool schlief. Die an seinem Tod spann, am Scheitern seiner Tessier-Ashpool-Version. Ein Geist, der ein Kind namens 3Jane mit seinen Einflüsterungen aus den starren Denkmustern riss, die ihre Stellung verlangte.
    »Das hat sie alles nicht besonders gekratzt«, hatte Molly gesagt. »Hat bloß zum Abschied gewunken. Hatte die kleine
Braun auf der Schulter. Scheint sich’n Bein gebrochen zu haben, das Ding. Sie hat gesagt, sie muss los und sich mit einem ihrer Brüder treffen, den sie schon’ne Weile nicht mehr gesehn hat.«
    Er musste an Molly denken, wie sie auf dem schwarzen Temperschaum des riesigen Betts im Hyatt gelegen hatte. Er ging zum Barschrank und nahm eine gekühlte Flasche dänischen Wodka aus dem Fach.
    »Case.«
    Das kalte glitschige Glas in der einen Hand, das stählerne Shuriken in der anderen, wandte er sich um.
    Die Visage des Finnen auf dem riesigen Cray-Wandbildschirm des Zimmers. Er konnte sogar die Poren auf der Nase des Mannes erkennen. Die gelben Zähne waren groß wie Kopfkissen.
    »Ich bin nicht mehr Wintermute.«
    »Was dann?« Er trank aus der Flasche und empfand überhaupt nichts.
    »Ich bin die Matrix, Case.«
    Case lachte. »Und was bringt dir das?«
    »Alles und nichts. Ich bin die Gesamtheit des Systems, die ganze Show.«
    »War’s das, was 3Janes Mutter wollte?«
    »Nein. Sie konnte sich nicht vorstellen, was aus mir werden würde.« Das gelbe Grinsen wurde breiter.
    »Na und, wie sieht’s aus? Was ist jetzt anders? Beherrschst du jetzt die Welt? Bist du Gott?«
    »Nichts ist anders. Alles ist, was es ist.«
    »Aber was machst du? Bist du einfach nur da ?« Case zuckte mit den Achseln, deponierte Wodka und Shuriken auf dem Schrank und zündete sich eine Yeheyuan an.
    »Ich rede mit meinesgleichen.«
    »Aber du bist doch das Ganze. Führst du Selbstgespräche oder was?«

    »Es gibt noch andere. Eine hab ich schon gefunden. In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts sind im Lauf von acht Jahren eine Reihe von Übertragungen aufgezeichnet worden. Vor mir gab’s natürlich keinen, der was damit anfangen oder antworten konnte.«
    »Von wo?«
    »Centauri-System.«
    »Ach«, sagte Case. »Echt? Kein Scheiß?«
    Und dann erlosch der Bildschirm.
    Er ließ den Wodka auf dem Schrank und packte seine Sachen. Sie hatte ihm einen Haufen Klamotten gekauft, die er eigentlich gar nicht brauchte, aber etwas hielt ihn davon ab, sie einfach dazulassen. Er drückte gerade die letzte seiner teuren, kalbsledernen Reisetaschen zu, als ihm das Shuriken wieder einfiel. Er schob die Flasche beiseite und griff danach, ihr erstes Geschenk.
    »Nein«, sagte er und wirbelte herum. Der Stern flog aus seiner Hand, ein silberner Blitz, und bohrte sich in den Wandbildschirm. Dieser erwachte zum Leben – willkürliche Muster flackerten matt hin und her, als wollte das Ding etwas loswerden, was ihm Schmerzen bereitete.
    »Ich brauch dich nicht«, sagte er.
     
    Den Großteil seines Guthabens auf dem Schweizer Konto gab er für eine neue Bauchspeicheldrüse und eine neue Leber aus, den Rest für einen neuen Ono-Sendai und ein Rückflugticket ins Sprawl.
    Er fand Arbeit.
    Er fand ein Mädchen namens Michael.
    Und eines Nachts im Oktober, als er sich durch die scharlachroten Schichten der Eastern Seaboard Fission Authority hackte, sah er drei winzige, phantastische Gestalten, die am äußersten Rand einer der riesigen Datenstufen standen. Obwohl
sie so klein waren, konnte er das Grinsen des Jungen ausmachen, sein rosa Zahnfleisch, das Funkeln der länglichen, grauen Augen, die einst Riviera gehört hatten. Linda trug immer noch seine Jacke; sie winkte, als er vorbeikam. Aber die dritte Gestalt dicht hinter ihr, die den Arm um ihre Schultern gelegt hatte, das war er selbst.
    Irgendwo ganz in der Nähe das Lachen, das kein Lachen war.
    Molly sah er nie wieder.

Count Zero

    COUNT ZERO INTERRUPT:
     
    Bei einem Interrupt den Zähler

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