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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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weißt ja, wie das ist.« Conroys Stimme war flach und tonlos, wie einem billigen Sprach-Chip nachempfunden. Sein Gesicht war breit und blass, leichenblass. Er hatte dunkle Ringe unter den schwerlidrigen Augen und wasserstoffblonde Haare, die aus der breiten Stirn gekämmt waren. Er trug ein schwarzes Polohemd und eine schwarze Hose. »Rein«, sagte er und wandte sich um. Turner folgte ihm und trat geduckt durch die Kabinentür. Weiße Rollos, helles, makelloses Kiefernholz – Tokios nüchterner Firmenschick.
    Conroy ließ sich auf einem niedrigen, rechteckigen, schiefergrauen Ultravelourskissen nieder. Turner blieb stehen, die Arme schlaff an den Seiten. Conroy nahm einen geriffelten silbernen Inhalator von dem niedrigen Emailletisch zwischen ihnen. »Cholinverstärker?«
    »Nein.«
    Conroy rammte sich den Inhalator ins Nasenloch und verpasste sich eine Dosis. »Wie wär’s mit Sushi?« Er legte den Inhalator auf den Tisch zurück. »Wir haben vor’ner runden Stunde ein paar Red Snapper gefangen.«
    Turner blieb stehen, wo er war, und starrte Conroy an.
    »Christopher Mitchell«, sagte Conroy. »Maas Biolabs. Der Chef ihres Hybridomlabors. Er geht zu Hosaka.«

    »Nie von ihm gehört.«
    »Quatsch!’nen Drink?«
    Turner schüttelte den Kopf.
    »Silizium ist auf dem absteigenden Ast, Turner. Mitchell ist der Mann, der funktionsfähige Biochips entwickelt hat, und Maas hockt auf den wichtigsten Patenten. Das weißt du. Er ist der Mann für monoklonale Antikörper. Er will raus. Du und ich, Turner, wir werden ihm beim Wechsel helfen.«
    »Wie ich das sehe, bin ich im Ruhestand, Conroy. Hab mich hier sauwohl gefühlt.«
    »Sagt das Psychoteam in Tokio auch. Ich meine, das ist ja nun nicht gerade was Neues für dich, oder? Sie ist’ne Feldpsychologin auf Hosakas Gehaltsliste.«
    Ein Muskel in Turners Oberschenkel begann zu zucken.
    »Sie sagen, du bist so weit, Turner. Sie waren ein bisschen besorgt nach Neu-Delhi, also wollten sie’s ausprobieren. Und dir’n bisschen Therapie angedeihen lassen. Kann ja nie schaden, was?«

2
    Marly
    Sie hatte sich für das Vorstellungsgespräch in ihre besten Klamotten geworfen, aber es regnete in Brüssel, und sie hatte kein Geld für ein Taxi. Also ging sie von der Eurotrans-Station aus zu Fuß.
    In der Tasche ihrer guten Jacke – von Sally Stanley, allerdings schon fast ein Jahr alt – war ihre Hand um ein zerknülltes Telefax geballt. Obwohl sie es nicht mehr brauchte, da sie die Adresse auswendig wusste, konnte sie es nicht loslassen; ebenso wenig konnte sie die Trance brechen, in der sie sich jetzt befand, als sie ins Schaufenster eines teuren Herrenausstatters starrte und zwischen dezenten Flanellhemden
und dem Spiegelbild ihrer dunklen Augen hin und her blickte.
    Sicher würden allein schon die Augen sie um den Job bringen. Da war das nasse Haar nicht mehr nötig, das Andrea doch hätte schneiden sollen, wie sie nun fand. Der Schmerz und die Apathie in diesen Augen fielen jedem auf, und auch Herr Josef Virek, der unwahrscheinlichste aller potenziellen Arbeitgeber, würde sie bestimmt bald bemerken.
    Als das Telefax gekommen war, hatte sie es beharrlich als grausamen Scherz, als neuerliche Belästigung angesehen. Damit war sie dank der Medien reich gesegnet – so reich, dass Andrea ein Sonderprogramm für das Telefon in der Wohnung bestellt hatte, das alle Anrufe von nicht in ihrem permanenten Adressenverzeichnis enthaltenen Anschlüssen aussonderte. Aber das, so hatte Andrea gemeint, müsse wiederum der Grund für das Telefax gewesen sein. Wie hätte man sie sonst erreichen können?
    Doch Marly hatte den Kopf geschüttelt und sich tiefer in Andreas alten Frotteebademantel gekuschelt. Warum sollte Virek, der steinreiche Sammler und Mäzen, die diskreditierte ehemalige Betreiberin einer winzigen Pariser Galerie einstellen wollen?
    Nun hatte Andrea den Kopf geschüttelt, aus Ungeduld mit der diskreditierten Marly Kruschkowa, die jetzt tagelang in der Wohnung herumhing und sich bisweilen nicht mal die Mühe machte, sich anzuziehen. Der versuchte Verkauf einer einzigen Fälschung in Paris sei kaum so eine Sensation gewesen, wie Marly glaube, sagte sie. Wenn die Presse nicht dermaßen erpicht darauf gewesen wäre, den Widerling Gnass als den Trottel bloßzustellen, der er ganz bestimmt sei, fuhr sie fort, hätte die Sache wohl kaum Schlagzeilen gemacht. Der reiche, vulgäre Gnass war genau das Richtige für einen Wochenendskandal. Andrea lächelte. »Wenn du nicht so

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