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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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hat«, erklärte sie. »Chris, das ist mein Vater.«
    »Ich weiß. Ich glaube, den Rest des Weges werd ich dich tragen müssen.«
    »Aber was ist mit Ihren Freunden?«
    »Welchen Freunden?«
    »Na, denen in Arizona.«
    »Ach so. Tja …« Er wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Kann ich nicht sagen. Weiß ich wirklich nicht.«
    Der grellweiße Lichtblitz, freigesetzte Energie, heller als die Sonne. Aber kein elektromagnetischer Impuls, hatte das Flugzeug gesagt …

    Der erste von Rudys aufgerüsteten Hunden entdeckte sie eine Viertelstunde, nachdem sie wieder aufgebrochen waren. Angie hatte sich von Turner auf den Rücken nehmen lassen, die Arme um seine Schultern geschlungen; Turner hatte sich ihre dünnen, angewinkelten Beine unter die Achseln geklemmt und die Finger vor der Brust zur Doppelfaust verklammert. Sie roch wie ein Kind aus den besseren Vororten, ein leichter Kräuterduft von Seife oder Shampoo. Bei diesem Gedanken überlegte er, wie er wohl riechen mochte. Rudy hatte eine Dusche …
    »Ach du Scheiße, was ist’n das?« Sie versteifte sich auf seinem Rücken.
    Ein schlanker grauer Hund betrachtete sie von einer hohen Lehmböschung an einer Straßenbiegung. Sein schmaler Kopf steckte unter einer mit Sensoren bestückten schwarzen Haube. Er hechelte mit heraushängender Zunge und drehte langsam den Kopf hin und her.
    »Schon okay«, sagte Turner. »Ein Wachhund. Gehört meinem Freund.«
     
    Das Haus war gewachsen, hatte Flügel und Werkstätten bekommen, aber die abblätternden Schindeln des ursprünglichen Gebäudes hatte Rudy nicht gestrichen. Seit Turners Zeit hatte er ein Geviert aus straff gespanntem Maschendraht angelegt, hinter dem er seine Fahrzeugsammlung verwahrte, doch das Tor stand bei ihrer Ankunft offen, und die Angeln schlummerten friedlich unter der strahlenden Morgensonne und einer dicken Schicht Rost. Die wirklichen Schutzvorrichtungen waren woanders, wie Turner wusste. Vier der aufgerüsteten Hunde trabten hinter ihm her, als er die Kieseinfahrt hinaufging. Angies Kopf lag schlaff auf seiner Schulter, die Arme hatte sie nach wie vor um ihn geschlungen.

    Rudy wartete auf der vorderen Veranda. Er trug alte weiße Shorts und ein Navy-T-Shirt, in dessen einziger Tasche mindestens neun verschiedene Schreibstifte steckten. Er blickte ihnen entgegen und hob eine grüne Dose mit holländischem Bier zum Gruß. Hinter ihm kam eine Blondine in einem ausgebleichten Khaki-Hemd aus der Küche. Sie hielt einen verchromten Spatel in der Hand und hatte kurz gestutztes Haar. Ihre Frisur erinnerte Turner an die Koreanerin in Hosakas Med-Container, an das brennende Modul, an Webber, an den grellweißen Himmel … Er stand schwankend auf Rudys Kieseinfahrt, die Beine unter der Last des Mädchens gespreizt, die bloße Brust mit Schweiß und dem Staub von dem Gelände in Arizona bedeckt, und schaute zu Rudy und der Blondine hinauf.
    »Wir haben euch Frühstück gemacht«, sagte Rudy. »Als ihr auf dem Hunde-Monitor aufgetaucht seid, haben wir uns gedacht, ihr habt bestimmt Hunger.« Sein Ton war bewusst unverbindlich.
    Das Mädchen stöhnte.
    »Das ist gut«, sagte Turner. »Sie hat einen dicken Knöchel, Rudy. Sollten wir uns lieber mal ansehen. Und dann gibt’s noch ein paar Sachen, über die ich mit dir reden muss.«
    »Bisschen jung für dich, würde ich sagen«, bemerkte Rudy und nippte wieder an seinem Bier.
    »Lass den Quatsch, Rudy«, sagte die Frau neben ihm. »Siehst du denn nicht, dass sie verletzt ist? Bring sie hier rein«, wandte sie sich an Turner und verschwand durch die Küchentür im Haus.
    »Siehst anders aus«, sagte Rudy und musterte ihn. Turner merkte, dass er betrunken war. »Schon so wie früher, aber doch irgendwie anders.«
    »Ist’ne Weile her«, sagte Turner und ging zu den hölzernen Stufen.

    »Hast du dir das Gesicht machen lassen oder so?«
    »Rekonstruktion. Sie mussten es aus Aufzeichnungen rekonstruieren.« Turner stieg die Stufen hinauf. Jede Bewegung versetzte ihm einen Stich ins Kreuz.
    »Nicht schlecht«, sagte Rudy. »Ich hätt’s fast nicht gemerkt.« Er rülpste. Er war kleiner als Turner und setzte allmählich Fett an, hatte jedoch das gleiche braune Haar und ganz ähnliche Züge.
    Turner hielt auf der Treppe inne, als ihre Augen in gleicher Höhe waren. »Immer noch der kleine Hansdampf in allen Gassen, Rudy? Das Kind muss durchgecheckt werden. Und ich brauch noch’n paar andere Sachen.«
    »Tja«, sagte sein Bruder, »mal sehn, was

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