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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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Kinn.
    »Wohin sollte die Reise gehen?«
    »Nach Bogotá.« Und schon leierte der Jet die Koordinaten für die Landung herunter, zu der es nicht gekommen war.

    Sie blinzelte ihn verständnislos an; ihre Lider waren dunkel verfärbt, wie die Haut ringsum. »Mit wem reden Sie?«
    »Mit dem Jet. Hat Mitchell dir gesagt, wo du seiner Ansicht nach hinfliegen würdest?«
    »Nach Japan …«
    »Kennst du jemanden in Bogotá? Wo ist deine Mutter?«
    »Nein. In Berlin, glaube ich. Aber ich kenne sie kaum.«
     
    Er löschte die Datenspeicher des Jets und das, was von Conroys Programm übrig war: den Anflug aus Kalifornien, Identifikationsdaten für die Basis, einen Flugplan, der sie zu einer Landebahn dreihundert Kilometer von Bogotás Stadtkern entfernt geführt hätte.
    Irgendwann würde man den Jet finden. Er dachte an das orbitale Aufklärungssystem von Maas und fragte sich, ob die Tarn- und Ausweichmanöver, die er der Maschine einprogrammiert hatte, etwas gebracht hatten. Er konnte Rudy den Jet zum Ausschlachten anbieten, aber er bezweifelte, dass Rudy in die Geschichte hineingezogen werden wollte. Allerdings würde er schon bis zum Hals drinstecken, wenn Turner mit Mitchells Tochter im Schlepptau auf der Farm auftauchte. Aber er konnte nirgendwo anders hin – nur dort würde er das bekommen, was er jetzt brauchte.
    Es war ein Vierstundenmarsch über Wege, an die er sich nur noch ansatzweise erinnerte, und über eine gewundene, rissige, von Unkraut überwucherte Asphaltstraße. Die Bäume kamen ihm irgendwie anders vor, aber dann fiel ihm ein, wie viel sie in den Jahren seit seinem letzten Besuch gewachsen sein mussten. In regelmäßigen Abständen passierten sie die Holzstümpfe der einstigen Telegrafenmasten, die nun von Brombeersträuchern und Geißblatt überwuchert waren. Die Masten selbst waren umgehauen und als Brennholz verwendet
worden. Bienen ernteten in dem blühenden Wiesenstreifen entlang der Landstraße.
    »Gibt’s da, wo wir hingehn, was zu essen?«, fragte das Mädchen. Die Sohlen ihrer weißen Turnschuhe schlurrten über den verwitterten Asphalt.
    »Klar«, sagte Turner, »so viel du willst.«
    »Im Moment will ich nur Wasser.« Sie strich sich eine glatte braune Haarsträhne aus der sonnengebräunten Wange. Ihm fiel auf, dass sie jetzt immer stärker hinkte und jedes Mal zusammenzuckte, wenn sie mit dem rechten Fuß auftrat.
    »Was ist mit deinem Bein?«
    »Der Knöchel. Muss wohl bei der Bruchlandung mit dem Ultralight passiert sein.« Sie verzog das Gesicht, ging aber weiter.
    »Wir machen eine Pause.«
    »Nein. Ich will endlich ankommen, egal wo.«
    »Ruh dich aus.« Er nahm sie bei der Hand und führte sie zum Straßenrand. Sie verzog das Gesicht, setzte sich dann aber neben ihn und streckte vorsichtig das rechte Bein aus.
    »Das ist aber ein großer Revolver«, sagte sie. Es war heiß geworden, zu heiß für den Parka. Er trug das Halfter auf der nackten Haut, darüber das Hemd mit den abgetrennten Ärmeln, das über die Hose hing. »Warum sieht der Lauf unten drunter so komisch aus, wie ein Kobrakopf?«
    »Das ist eine Zielvorrichtung für den Nachtkampf.« Er beugte sich vor und untersuchte ihren Knöchel. Er schwoll rasch an. »Ich weiß nicht, wie lange du damit noch weiterlaufen kannst«, sagte er.
    »Kämpfen Sie oft nachts? Mit Schusswaffen?«
    »Nein.«
    »Ich glaub, ich versteh nicht ganz, was Sie eigentlich machen.«

    Er sah zu ihr auf. »In letzter Zeit versteh ich das selber nicht immer. Ich hab deinen Vater erwartet. Er wollte die Firma wechseln, für jemand anders arbeiten. Die Leute, für die er tätig werden wollte, haben mich und ein paar andere Leute beauftragt, dafür zu sorgen, dass er aus seinem alten Vertrag rauskommt.«
    »Aber aus diesem Vertrag konnte er nicht raus«, wandte sie ein. »Jedenfalls nicht auf legale Weise.«
    »Stimmt.« Er löste die Schleife und schnürte den Turnschuh auf. »Nicht auf legale Weise.«
    »Oh. Also damit verdienen Sie sich Ihr Geld?«
    »Ja.« Er zog den Turnschuh aus. Sie trug keine Socken. Der Knöchel war stark angeschwollen. »Der ist verstaucht.«
    »Und was ist mit den andern? Da waren doch noch mehr Leute bei der Ruine. Jemand hat geschossen, und die Leuchtkugeln …«
    »Schwer zu sagen, wer da geschossen hat«, sagte er. »Aber die Leuchtkugeln stammten nicht von uns. Vielleicht war es das Security-Team von Maas, das dir auf den Fersen war. Hast du gedacht, du wärst unbemerkt rausgekommen?«
    »Ich habe getan, was Chris gesagt

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