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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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landete auf einem anderen, wippte dort einen Moment und huschte dann davon, aus seinem Blick.
    Lieg still, hörte er eine Stimme sagen, Jahre entfernt. Lieg still und rühr dich nicht, dann werden sie dich bald vergessen, vergessen im Grau, im Tau und in der Dämmerung. Sie sind unterwegs, um zu fressen, zu fressen und zu spielen, und ihr Hirn kann auf Dauer keine zwei Meldungen behalten. Er lag neben seinem Bruder auf dem Rücken, die Winchester mit dem Nylonschaft quer über der Brust, den Rauch ihres Lagerfeuers noch im Haar, und roch das neue Messing, das Waffenöl. Und sein Bruder hatte immer Recht, wenn es um die Eichhörnchen ging. Sie kamen. Sie vergaßen die klare Sprache des Todes, die da unten in Lettern aus zusammengeflicktem Denim und blauem Stahl zu lesen stand. Sie kamen, flitzten auf Ästen entlang, schnupperten die Morgenluft, und Turners 22er krachte, und ein schlaffes, graubraunes Körperchen purzelte herunter. Die anderen stoben auseinander und verschwanden, und Turner gab die Flinte seinem Bruder. Wieder warteten sie, warteten, bis die Eichhörnchen sie vergessen hatten.
    »Ihr seid wie ich«, sagte Turner zu den Eichhörnchen, als er aus dem Traum hochschreckte. Eins der Tiere setzte sich plötzlich auf einem dicken Ast auf und beäugte ihn. »Ich komme immer zurück.«

    Das Eichhörnchen hüpfte fort. »Ich bin zurückgekommen, als ich auf der Flucht vor dem Holländer war, ich bin zurückgekommen, als ich nach Mexiko geflogen bin, und ich bin zurückgekommen, als ich Lynch umgebracht habe.«
    Er blieb lange liegen und sah den Eichhörnchen zu, während der Wald erwachte und der Morgen um ihn herum wärmer wurde. Eine Krähe segelte heran, legte sich in die Kurve, bremste mit Federn, die sie wie mechanische schwarze Finger spreizte. Schaute, ob er tot war.
    Turner grinste zu der Krähe hinauf, als sie davonflatterte.
    Noch nicht.
     
    Er kroch unter den tiefhängenden Ästen zurück. Sie saß wach im Cockpit. Sie trug ein weites weißes T-Shirt, auf dem diagonal das MAAS-NEOTEK-Logo aufgedruckt war. Vorn auf dem T-Shirt waren frische, rautenförmige Blutflecken. Sie hatte wieder Nasenbluten. Strahlend blaue Augen, benommener, verwirrter Blick, rund um die Augen schwarzgelbe Verfärbungen wie exotisches Make-up.
    Jung, sah er, blutjung.
    »Du bist Mitchells Tochter«, sagte er und rief sich den Namen aus dem Biosoft-Dossier ins Gedächtnis. »Angela.«
    »Angie«, sagte sie automatisch. »Wer sind Sie? Ich blute.« Sie hielt ihm eine blutgetränkte Papiernelke hin.
    »Turner. Ich hatte deinen Vater erwartet.« Ihm fiel die Knarre ein; ihre andere Hand war hinterm Cockpitrand verborgen. »Weißt du, wo er ist?«
    »Im Berg. Er dachte, er könnte mit ihnen reden, ihnen alles erklären. Weil sie ihn brauchen.«
    »Mit wem?« Er trat einen Schritt vor.
    »Mit Maas. Dem Vorstand. Sie können es sich nicht leisten, ihm was zu tun, oder?«
    »Warum sollten sie?« Noch ein Schritt.

    Sie betupfte sich mit dem roten Tuch die Nase. »Weil er mich rausgeschickt hat. Weil er wusste, dass sie mir was tun, mich vielleicht sogar umbringen würden. Wegen der Träume.«
    »Der Träume?«
    »Glauben Sie, dass sie ihm was tun?«
    »Nein, nein, bestimmt nicht. Ich komme jetzt rauf, okay?«
    Sie nickte. Er musste mit der Hand über den Rumpf fahren, um die flachen, versenkt angebrachten Sprossen zu finden; die mimetische Beschichtung gaukelte ihm Laub, Moos und Zweige vor.
    Und dann war er oben, oben neben ihr, und sah den Revolver neben ihrem Fuß liegen. Sie trug Turnschuhe. »Aber wollte er nicht selber mitkommen? Ich hatte ihn erwartet, deinen Vater.«
    »Nein, das war nicht geplant. Wir hatten nur den einen Flieger. Hat er Ihnen das nicht gesagt?« Sie begann zu zittern. »Hat er Ihnen denn gar nichts gesagt?«
    »Doch«, meinte Turner und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Er hat uns genug gesagt. Ist schon okay.« Er schwang die Beine über den Rand, bückte sich, schob die Smith & Wesson von ihrem Fuß weg und griff nach dem Interface-Kabel. Er ließ die Hand auf ihrer Schulter, als er es aufhob und hinterm Ohr einsteckte.
    »Sag mir, wie ich vorgehen muss, um alles zu löschen, was du in den vergangenen achtundvierzig Stunden aufgezeichnet hast«, sagte er. »Ich will den Kurs nach Mexico City weghaben, deinen Anflug von der Küste, alles …«
    »Es war kein Kurs nach Mexico City eingegeben«, sagte die Stimme, ein direkter neuraler Audio-Input.
    Turner starrte das Mädchen an und rieb sich das

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