Neuromancer-Trilogie
khakibraunen Poncho geduckt aus der Vordertür der Tankstelle huschen. Er öffnete das Seitenfenster zehn Zentimeter weit und schrie gegen den Regen an. »Entschuldigen Sie die Störung. Wir konnten nicht weiterfahren. Die Scheibenwischer sind Schrott. Wir wussten nicht, dass hier jemand wohnt.« Im Lichtschein aus den Fenstern war zu sehen, dass die Hände des Mannes unter dem Plastikponcho steckten; offensichtlich hielt er irgendwas in der Hand.
»Privatbesitz«, sagte der Mann, dem der Regen über das hagere Gesicht lief.
»Wir mussten runter von der Straße«, rief Turner. »Tut mir leid, wenn wir Ihnen Ungelegenheiten bereiten …«
Der Mann machte den Mund auf und fing an, mit dem Ding unter seinem Poncho zu gestikulieren, als sein Kopf explodierte. Turner hatte beinahe den Eindruck, es wäre passiert, noch bevor die rote Linie aus Licht herabfuhr und ihn erfasste, ein bleistiftdünner Strahl, der lässig hin und her schwenkte, als würde jemand mit einer Taschenlampe spielen. Eine rote Blüte, die vom Regen niedergeworfen wurde, als die Gestalt in die Knie brach und vornüber kippte. Eine Savage 410 mit Metallskelettschaft glitt unter dem Poncho hervor.
Turner hatte gar nicht gemerkt, dass er aktiv geworden war, aber dann stellte er fest, dass er die Turbinen angelassen, das Steuer zu Angie gedreht und sich aus dem Gurtzeug gekämpft
hatte. »Wenn ich ›los‹ sage, fahr durch die Tankstelle durch.« Dann sprang er auf und zerrte an dem Hebel, der die Dachluke öffnete. In der anderen Hand hielt er den schweren Revolver. Im selben Moment, als die Luke aufglitt, drang das Knattern des schwarzen Honda an sein Ohr – ein Schatten über ihm, der sich kaum sichtbar in dem strömenden Regen herabsenkte. »Los!« Er drückte ab, bevor das Hovercraft einen Satz nach vorn machen und durch die Wand der alten Tankstelle krachen konnte. Der Rückstoß schmetterte seinen Ellbogen schmerzhaft aufs Dach des Hovers. Das Geschoss explodierte irgendwo über ihm mit einem befriedigenden Knall; Angie gab Vollgas und jagte das Hover durch die Bretterwand. Turner hatte gerade noch Zeit, Kopf und Schultern durch die Luke einzuziehen. Im Haus explodierte etwas, vermutlich eine Propangasflasche, und das Hover wurde nach links geschleudert.
Angie brachte das Fahrzeug wieder herum, als sie durch die hintere Wand nach draußen durchbrachen. »Wohin?«, schrie sie über das Heulen der Turbine hinweg.
Wie zur Antwort kam zwanzig Meter vor ihnen der schwarze Honda in taumelnden Spiralen herunter und peitschte silbernen Regen auf. Turner schnappte sich das Steuer, und sie schossen nach vorn. Das Hover ließ das Wasser am Boden in zehn Meter hohen Fontänen aufspritzen. Sie erwischten den kleinen Kampfhubschrauber voll an der Polykarbonat-Kanzel; sein Metallrumpf zerknitterte wie Papier unter der Wucht des Aufpralls. Turner stieß zurück und rammte den Hubschrauber ein zweites Mal mit noch größerer Wucht. Diesmal kollidierte das Wrack mit den Stämmen zweier nasser grauer Pinien und blieb dann wie ein langflügeliges Insekt liegen.
»Was ist passiert?«, fragte Angie, die Hände vor dem Gesicht. »Was ist passiert?«
Turner riss Zulassungspapiere und eine staubige Sonnenbrille aus einem Fach in der Tür neben ihm, fand dann eine Taschenlampe, prüfte die Batterien.
»Was ist passiert?«, fragte Angie erneut, wie eine Bandaufzeichnung. »Was ist passiert?«
Er kletterte wieder durch die Dachluke, die Knarre in der einen Hand, die Taschenlampe in der anderen. Der Regen hatte nachgelassen. Er sprang auf die Motorhaube und dann über die Stoßstange in knöcheltiefe Pfützen und lief platschend zu den verbogenen schwarzen Rotoren des Hondas.
Es stank nach auslaufendem Düsentreibstoff. Die Polykarbonat-Kanzel war wie ein Ei zerbrochen. Er zielte mit der Smith & Wesson darauf und ließ per Daumendruck zweimal den Xenon-Projektor aufblitzen. Das lautlose, erbarmungslose Licht zeigte ihm Blut und verdrehte Gliedmaßen unter dem geborstenen Kunststoff. Er wartete kurz und knipste dann die Taschenlampe an. Es waren zwei. Er kam näher, wobei er die Taschenlampe aus alter Gewohnheit weit vom Körper weghielt. Nichts rührte sich. Der Geruch des ausströmenden Treibstoffs wurde noch stärker. Dann zerrte er an der verbeulten Tür. Sie ging auf. Beide trugen sie Bildverstärker-Brillen. Das runde, leere Laserauge starrte in den Nachthimmel hinauf. Er bückte sich und klappte den verfilzten Lammfellkragen der Fliegerjacke des einen Toten
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