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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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einmal Freeside werden sollte, wuchs und krümmte sich und schloss ihre Erbauer ein.
    Als der Krieg ausbrach, befanden sich die Tessier-Ashpools hinter dieser Mauer. Sie sahen Bonn und Belgrad im Atomblitz vergehen. Während dieser drei Wochen wurde die Montage der Spindel ohne größere Unterbrechungen fortgesetzt; später, in der gelähmten, chaotischen Dekade danach, war das oft schwieriger.
    Die Kinder, Jean und Jane, lebten jetzt bei ihnen. Die Villa in Biarritz war zur Finanzierung des Baus einer Kältekammer für ihr Heim in der Villa Straylight verkauft worden. Die Ersten, die dieses Gewölbe belegten, waren zehn geklonte Embryopaare, 2Jean und 2Jane, 3Jean und 3Jane … Es gab zahlreiche Gesetze, die die künstliche Reproduktion von menschlichem Erbgut verboten oder anderweitig reglementierten, aber es gab auch zahlreiche Lücken in diesen Gesetzen …
     
    Sie stoppte das Band und bat das Haus, zur Szene davor zurückzufahren. Fotos von einer weiteren kryogenischen Kammer, die vom Schweizer Hersteller der Tessier-Ashpool-Gruft gebaut worden war. Beckers Vermutung, dass es sich dabei ebenfalls um etwas Derartiges handelte, war richtig, wie sie wusste; diese runden Türen aus schwarzem Glas mit Chrombeschlag waren ein zentrales Bild in den Erinnerungen der anderen, machtvoll und totemistisch.
    Die Bilder liefen wieder weiter und zeigten, wie in der Schwerelosigkeit Gebäude an der Innenfläche der Spindel entstanden, wie ein Lado-Acheson-System für Solarenergie installiert, eine Atmosphäre und Rotationsschwerkraft erzeugt wurden … Becker hatte eine Unmenge Material vorgefunden,
die ihn in Verlegenheit brachte, Stunden toll aufgemachter Dokumentarfilme. Seine Antwort darauf war eine wüste, schonungslose Montage, die mit der oberflächlichen Romantik der Vorlagen aufräumte und die angespannten, erschöpften Gesichter der einzelnen Arbeiter inmitten eines emsigen Gewimmels von Maschinen herauszog. Freeside ergrünte und erblühte im fliegenden Schnellvorlaufwechsel aufgezeichneten Morgengrauens und Abendrots; eine üppige, eingeschlossene Landschaft mit türkis glitzernden Teichen. Tessier und Ashpool kamen zu den Eröffnungsfeierlichkeiten aus Straylight, ihrem Geheimbau am Ende der Spindel, heraus und nahmen mit betontem Desinteresse die Welt, die sie erbaut hatten, in Augenschein. Hier drosselte Becker wieder das Tempo und begann erneut mit seiner obsessiven Analyse. Dies sollte das letzte Mal sein, dass Marie-France vor eine Kamera trat. Becker erforschte die Flächen ihres Gesichts in einer qualvoll langgezogenen Fuge, wobei sich der Bilderfluss in vollkommenem Gleichgewicht mit dem Feedback befand, das sich in einer unregelmäßigen Kurve durch das an- und abschwellende atmosphärische Rauschen des Soundtracks wand.
     
    Angie verlangte wieder eine Pause, stand vom Bett auf und ging zum Fenster. Sie verspürte eine freudige Erregung, eine unerwartete Kraft, und fühlte sich im Einklang mit sich selbst. Das Gleiche hatte sie vor sieben Jahren in New Jersey empfunden, als sie erfuhr, dass auch andere diejenigen kannten, die im Traum zu ihr kamen. Sie nannten sie Loa, göttliche Reiter, gaben ihnen Namen, riefen sie an und feilschten mit ihnen um ihre Gunst.
    Aber auch damals hatte Verwirrung geherrscht. Bobby hatte die Meinung vertreten, dass Linglessou, der Beauvoir im Oumphor ritt, und der Linglessou der Matrix verschiedene Entitäten seien, falls es sich bei Ersterem überhaupt um eine Entität
handele. »Die machen das seit zehntausend Jahren«, sagte er, »die Tanzerei und das Ausgeflippe. Aber im Cyberspace gibt’s so was erst seit sieben, acht Jahren.« Bobby glaubte den alten Cowboys, denen er im Gentlemen Loser jedes Mal, wenn Angie beruflich im Sprawl zu tun hatte, Drinks spendierte und die darauf beharrten, dass die Loa was Neues seien. Die alten Cowboys erinnerten sich noch an eine Zeit, in der allein gute Nerven und Talent für den Erfolg eines Konsolenkünstlers ausschlaggebend gewesen waren, obwohl Beauvoir dagegengehalten hätte, dass man genau das brauchte, um mit den Loa klarzukommen.
    »Aber die kommen zu mir«, hatte sie erwidert. »Ich brauch kein Deck.«
    »Kommt davon, was du im Kopf hast. Was dein Daddy gemacht hat …«
    Bobby hatte ihr erzählt, die alten Cowboys seien sich alle einig, dass es einen Zeitpunkt gegeben habe, wo alles anders geworden sei, obwohl sie sich darüber stritten, wann und wie das passiert sei.
    Sie sprachen von der Wende , und Bobby hatte mal eine

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