Neuromancer-Trilogie
Voll von PCBs und so.«
»Und was ist mit den Kaninchen, die Bird-Boy jagen geht?«
»Die sind westlich von hier. Auf Solitude gibt’s keine. Nicht mal Ratten. Jedenfalls muss man alles Fleisch von hier testen.«
»Aber es gibt Vögel.«
»Die brüten hier bloß. Fressen tun sie woanders.«
»Was läuft da eigentlich zwischen dir und Gentry?« Sie schaute immer noch zum Fenster hinaus.
»Wie meinst’n das?«
»Zuerst dachte ich, ihr seid vielleicht schwul. Also, ich meine, zusammen.«
»Nein.«
»Aber es ist doch so, als würdet ihr einander irgendwie brauchen.«
»Factory gehört ihm. Er lässt mich hier wohnen. Ich … muss hier leben, um arbeiten zu können.«
»Um die Dinger da unten zu bauen?«
Das Lämpchen in dem gelben Fax-Kegel ging an. Der Ventilator im Heizlüfter begann sich zu drehen.
»Tja«, sagte Cherry, während sie sich vor den Heizlüfter hockte und eine Jacke nach der anderen aufmachte, »er hat vielleicht nicht alle Tassen im Schrank, aber das hat er gut hingekriegt.«
Gentry hing auf dem alten Bürostuhl, als Slick in das Loft kam, und schaute auf den kleinen Klappmonitor an seinem Deck.
»Robert Newmark«, sagte Gentry.
»Hm?«
»Retina-Identifizierung. Das ist entweder Robert Newmark oder jemand, der seine Augen gekauft hat.«
»Wie hast du das rausgekriegt?« Slick beugte sich vor und blickte auf den Bildschirm voller Geburtsdaten.
Gentry ignorierte die Frage. »Da haben wir’s. Man braucht sich bloß irgendwo hinterzuklemmen, und schon stößt man auf was ganz anderes.«
»Wieso?«
»Jemand will wissen, ob sich irgendwer nach Mr. Newmark erkundigt.«
»Wer?«
»Keine Ahnung.« Gentry trommelte mit den Fingern auf seine Schenkel in dem schwarzen Leder. »Schau dir das an: nichts. Geboren in Barrytown. Mutter: Marsha Newmark. Wir haben seine SIN, aber die ist angezapft, hundertpro.« Er schubste den Stuhl auf den Laufrollen zurück und drehte sich um, so dass er das reglose Gesicht des Counts sehen konnte. »Na, was sagst du dazu, Newmark? Ist das dein Name?« Er stand auf und ging zum Holotisch.
»Tu’s nicht«, sagte Slick.
Gentry schaltete den Holotisch ein.
Und wieder war einen Moment lang das graue Ding zu sehen, doch diesmal tauchte es zum Zentrum des halbkugelförmigen Displays hinab, schrumpfte und war verschwunden. Nein. Es war noch da, ein winziges graues Kügelchen mitten im Zentrum des hellen Projektionsfeldes.
Gentry hatte wieder sein irres Grinsen auf dem Gesicht. »Gut«, sagte er.
»Was ist gut?«
»Ich sehe, was es ist. So’ne Art Eis. Ein Sicherheitsprogramm.«
»Der Affe da?«
»Da hat jemand Humor. Wenn der Affe einen nicht abschreckt, verwandelt er sich in eine Erbse.« Er ging zum Tisch und kramte in einer seiner Gepäcktaschen. »Ich glaub kaum, dass sie das auch bei’ner direkten sensorischen Verbindung hinkriegen.« Er hatte jetzt etwas in der Hand. Ein Trodennetz.
»Gentry, tu’s nicht! Schau ihn dir an!«
»Ich tu’s auch nicht«, sagte Gentry, »sondern du.«
22
Geister und Leere
Als sie durch die verschmierten Taxifenster starrte, wünschte sie sich unwillkürlich Colin mit seinen trockenen Sprüchen herbei. Dann fiel ihr wieder ein, dass die Welt da draußen vollständig außerhalb seines Horizonts lag. Sie hätte gern gewusst, ob Maas-Neotek ein ähnliches Gerät auch fürs Sprawl herstellte; falls ja, was für eine Gestalt würde dessen Geist annehmen?
»Sally«, fragte sie nach rund einer halben Stunde Fahrt nach New York, »warum hat Petal mich mit dir gehen lassen?«
»Weil er klug war.«
»Und mein Vater?«
»Der wird sich anscheißen.«
»Wie bitte?«
»Er wird wütend sein. Falls er’s erfährt. Aber vielleicht erfährt er’s auch gar nicht. Wir bleiben nicht lange hier.«
»Warum sind wir hier?«
»Ich muss mit jemand reden.«
»Und warum bin ich hier?«
»Gefällt’s dir hier nicht?«
Kumiko zögerte. »Doch, schon.«
»Gut.« Sally setzte sich auf dem kaputten Sitz anders hin. »Petal musste uns gehen lassen. Er hätte uns nämlich nicht aufhalten können, ohne einen von uns zu verletzen. Na ja, vielleicht nicht zu verletzen. Eher zu kränken. Dich hätte Swain später beschwichtigen können, er hätte sich bei dir entschuldigen und – falls nötig – deinem Vater erzählen können, es war nur zu deinem Besten gewesen, aber wenn er mich beschwichtigen wollte, würde er irgendwie das Gesicht verlieren, nicht? Als ich Petal da unten mit der Kanone gesehen habe, wusste ich, dass er uns
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