Neuromancer-Trilogie

Besucher im Vereinigten Königreich beratend zur Seite zu stehen.«
    Er zwinkerte ihr zu.
    »Warum zwinkerst du?«
    »Was meinst du wohl?«
    »Beantworte meine Frage!« Ihre Stimme hallte laut durch das verspiegelte Zimmer.
    Der Geist hob einen schmalen Zeigefinger an die Lippen. »Ich bin auch noch was anderes, stimmt. Für ein bloßes Beraterprogramm zeige ich ein bisschen zu viel Initiative, obwohl mein Grundmodell ein überaus hochentwickeltes Spitzenprodukt ist. Trotzdem kann ich dir nicht genau sagen, was ich bin, weil ich’s nicht weiß.«
    »Du weißt es nicht?« Wieder stimmlos, vorsichtig.
    »Ich weiß alles Mögliche«, begann er und ging zu einem Mansardenfenster. »Ich weiß, dass eine Festtafel in der Middle Temple Hall angeblich aus dem Holz der Golden Hind gefertigt ist; dass man bis zu den Laufgängen der Tower Bridge 128 Stufen erklimmen muss; dass in der Wood Street rechts von Cheapside eine Platane steht, in der angeblich Wordsworths Drossel gesungen hat.« Er drehte sich plötzlich zu ihr um. »Was allerdings nicht stimmt, weil der jetzige Baum 1998 nach dem Original geklont wurde. All das weiß ich, wie du siehst,
und noch mehr, sehr viel mehr. Ich könnte dir zum Beispiel die Grundlagen eines Billardspiels namens Snooker beibringen. Das bin ich, oder vielmehr, das sollte ich ursprünglich sein. Aber ich bin auch noch mehr, und das hat höchstwahrscheinlich mit dir zu tun. Was, weiß ich nicht. Wirklich nicht.«
    »Du bist ein Geschenk meines Vaters. Stehst du mit ihm in Verbindung?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Du hast ihm meine Abreise nicht gemeldet?«
    »Du verstehst nicht«, sagte er. »Ich habe gar nicht gewusst, dass du weg warst, bis du mich vorhin eingeschaltet hast.«
    »Aber du hast aufgezeichnet …«
    »Ja, aber unbewusst. Ich bin nur ›da‹, wenn du mich aktivierst. Dann werte ich die aktuellen Daten aus. In einem Punkt kannst du dir allerdings ziemlich sicher sein: Es ist schlechterdings unmöglich, irgendein Signal aus diesem Haus zu senden, ohne dass Swains Schnüffler es sofort bemerken.«
    »Könnte es mehr von deiner Sorte geben, ich meine, einen zweiten im selben Gerät?«
    »Interessanter Gedanke, aber nein, es sei denn, es hätte einen ganz fürchterlichen, geheimen Durchbruch in der Technologie gegeben. Bei der Größe meiner Hardware ist es für mich allein schon ein bisschen eng in dieser Hülle. Das weiß ich aus meinen umfangreichen allgemeinen Hintergrundinformationen.«
    Sie betrachtete das Gerät in ihrer Hand. »Lanier«, sagte sie. »Erzähl mir von ihm.«
    »Zehn Uhr fünfundzwanzig und sechzehn Sekunden«, sagte er. Ihr Kopf füllte sich mit körperlosen Stimmen.
    PETAL: Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Sir.
    SWAIN: Kommen Sie ins Billardzimmer.

    DRITTE STIMME: Dafür haben Sie hoffentlich einen guten Grund, Swain. Im Wagen warten drei Net-Männer. Ihre Adresse wird im Datenspeicher des Sicherheitsdienstes bleiben, bis die Hölle zufriert.
    PETAL: Hübscher Wagen, der Daimler, Sir. Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen?
    DRITTE STIMME: Also, was ist, Swain? Warum konnten wir uns nicht im Brown’s treffen?
    SWAIN: Legen Sie ab, Robin. Sie ist weg.
    DRITTE STIMME: Weg?
    SWAIN: Zum Sprawl. Ist heute früh abgehauen.
    DRITTE STIMME: Aber es ist doch noch gar nicht so weit.
    SWAIN: Meinen Sie, ich hätte sie hingeschickt?
    Die Antwort des Mannes klang hohl und undeutlich, verschluckt von einer sich schließenden Tür. »War das Lanier?«, fragte Kumiko lautlos.
    »Ja«, erwiderte Colin. »Petal hat in einem vorhergehenden Gespräch seinen Namen erwähnt. Swain und Lanier waren fünfundzwanzig Minuten zusammen.«
    Das Geräusch einer Türklinke, die niedergedrückt wurde, dann Bewegung.
    SWAIN: Schöne Bescherung. Ist aber nicht meine Schuld. Ich habe Sie vor ihr gewarnt und Ihnen gesagt, Sie sollen die anderen warnen. Die geborene Killerin, höchstwahrscheinlich eine Psychopathin.
    LANIER: Das ist Ihr Problem, nicht meins. Sie brauchen deren Produkt und meine Kooperation.
    SWAIN: Und was ist Ihr Problem, Lanier? Warum sind Sie dabei? Nur, um Mitchell aus dem Weg zu räumen?
    LANIER: Wo ist mein Mantel?
    SWAIN: Petal, bring Mr. Lanier seinen verdammten Mantel!
    PETAL: Sir.

    LANIER: Ich hab den Eindruck, die sind auf Ihre Messermieze genauso scharf wie auf Angie. Sie ist eindeutig in dem Deal inbegriffen. Die werden sie auch kassieren.
    SWAIN: Dann wünsche ich denen viel Glück. Sie ist schon da, wo sie sein soll, im Sprawl. Hab vor einer Stunde mit ihr