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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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dich.«
    »Danke. Darf ich jetzt auf mein Zimmer gehen?«
    »Natürlich. Du bist bestimmt sehr müde.«
    Petal, dessen grauer Anzug vom Flug arg zerknittert war, folgte ihr mit ihrem Koffer hinaus. Sie hielt den Blick bewusst gesenkt, als sie an der leer dreinstarrenden Marmorbüste vorbeikamen, hinter der vielleicht noch das Maas-Neotek-Gerät verborgen lag, aber da Swain und Petal im Raum waren, sah sie keine Möglichkeit, es wieder an sich zu nehmen.
     
    Es war neues Leben im Haus, eine gedämpfte Betriebsamkeit: Stimmen, Schritte, das Klappern des Aufzugs, das Gluckern des Wassers in den Rohren, wenn jemand ein Bad nahm.

    Sie saß am Fußende des Bettes und starrte auf die schwarze Marmorwanne. Remanente Bilder von New York hatten sich am Rand ihrer Vorstellung festgesetzt; wenn sie die Augen schloss, fand sie sich in der Gasse wieder, neben Sally hockend. Neben Sally, die sie weggeschickt hatte. Die sich nicht mehr umgeschaut hatte. Sally, die einmal Molly oder Misty oder beides geheißen hatte. Wieder das Gefühl, wertlos zu sein. Sumida, ihre Mutter, im schwarzen Wasser treibend. Ihr Vater. Sally.
    Gleich darauf stand sie auf, von einer Neugier getrieben, die ihre Scham beiseiteschob, bürstete sich die Haare, schlüpfte in leichte schwarze Zehensocken aus Gummi mit geriffelten Plastiksohlen und schlich auf Zehenspitzen in den Flur hinaus. Im Lift stank es nach Zigarettenqualm.
    Rotgesicht marschierte im blau ausgelegten Foyer auf und ab, die Hände in den Taschen des engen schwarzen Jacketts, als sie aus dem Lift kam. »Ähem«, räusperte er sich und zog die Brauen hoch. »Brauchen Sie was?«
    »Ich habe Hunger«, sagte sie auf Japanisch. »Ich gehe in die Küche.«
    »Ähem«, machte er, nahm die Hände aus den Taschen und strich sein Jackett vorne glatt. »Sprechen Sie Englisch?«
    »No«, sagte sie, ging einfach an ihm vorbei über den Flur und bog um die Ecke. »Ähem«, hörte sie ihn nun schon mit mehr Nachdruck sagen, aber da tastete sie bereits hinter der weißen Büste herum.
    Sie konnte das Gerät gerade noch in die Tasche gleiten lassen, als er um die Ecke kam. Er ließ seinen prüfenden Blick automatisch durchs Zimmer schweifen, wobei die Hände locker an den Seiten baumelten, ein Gebaren, das sie mit einem Mal an die Sekretäre ihres Vaters erinnerte.
    »Ich habe Hunger«, sagte sie auf Englisch.
    Fünf Minuten später war sie mit einer großen, typisch britisch aussehenden Orange – die Engländer schienen keinen
besonderen Wert auf die Symmetrie von Früchten zu legen – wieder in ihrem Zimmer. Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, legte sie die Orange auf den breiten, flachen Rand der schwarzen Wanne und zog das Maas-Neotek-Gerät aus der Tasche.
    »Schnell jetzt«, sagte Colin und warf die Stirnlocke zurück, während sein Bild scharf wurde. »Mach das Ding auf und stell den A/B-Schalter auf A. Die neue Leitung hat einen Techniker im Einsatz, der überall rumläuft und nach Wanzen sucht. Sobald du umgeschaltet hast, dürfte es nicht mehr als Abhörgerät zu erkennen sein.« Sie befolgte seine Anweisung mit Hilfe einer Haarnadel.
    »Was meinst du damit?«, fragte sie, indem sie die Worte mit dem Mund formte, ohne sie auszusprechen. »Die neue Leitung?«
    »Hast du’s noch nicht gemerkt? Sind jetzt mindestens ein Dutzend Angestellte hier, von den zahlreichen Besuchern ganz zu schweigen. Na ja, ich schätze, es ist weniger eine neue Leitung als eine Intensivierung der Vorgänge. Dein Mr. Swain ist auf seine diskrete Weise ein recht geselliger Mensch. Wir haben da ein Gespräch zwischen Swain und dem Vize der Special Branch. Ich könnte mir vorstellen, dass so einige Leute – darunter auch der besagte Beamte – nicht vor Mord zurückschrecken würden, um in dessen Besitz zu gelangen.«
    »Special Branch?«
    »Die Geheimpolizei. Komischen Umgang, den Swain da pflegt: Buck-House-Typen, Zaren der Wohnsilos im East End, höhere Polizeibeamte …«
    »Buck House?«
    »Der Buckingham Palace. Ganz zu schweigen von Bankiers aus der City, einem Simstim-Star und scharenweise teuren Lakaien und Drogenhändlern …«
    »Einem Simstim-Star?«

    »Lanier. Robin Lanier.«
    »Robin Lanier? Der war hier?«
    »Am Morgen nach deiner überstürzten Abreise.«
    Sie schaute Colin in die transparenten grünen Augen. »Sagst du die Wahrheit?«
    »Ja.«
    »Immer?«
    »Soweit ich weiß, schon.«
    »Was bist du?«
    »Eine Biochip-Persönlichkeitsbasis von Maas-Neotek, die darauf programmiert ist, dem japanischen

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