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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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Deal ist, die kriegen mein Geld, wenn sie eine Frage beantworten: Wer steckt hinter Armitage?«
    »Und ihr glaubt, es ist diese KI? Die Dinger dürfen doch gar nicht autonom arbeiten. Bestimmt isses die Muttergesellschaft, diese Tessel …«
    »Tessier-Ashpool SA«, sagte der Finne. »Und über die hab ich’ne kleine Geschichte für euch. Wollt ihr sie hören?« Er setzte sich hin und beugte sich vor.
    »Der Finne steht auf Geschichten«, sagte Molly.
    »Aber die hab ich noch keinem erzählt«, begann der Finne.
     
    Der Finne war ein Hehler, vornehmlich für Software. Im Zuge seiner Geschäfte kam er zuweilen mit anderen Hehlern in Kontakt, die teilweise mit den traditionelleren Waren dieser Branche handelten: edlen Metallen, Briefmarken, seltenen Münzen, Edelsteinen, Schmuck, Pelzen, Gemälden und anderen Kunstgegenständen. Die Geschichte, die er Molly und Case
erzählte, begann mit der Geschichte eines anderen Mannes, den er Smith nannte.
    Smith war ebenfalls Hehler, betätigte sich jedoch in ruhigeren Zeiten als Kunsthändler. Er war der erste Bekannte des Finnen, der »in Silizium gemacht« hatte – für Case hatte der Ausdruck einen nostalgischen Beiklang -, und die Mikrosofts, die er kaufte, waren kunstgeschichtliche Programme und Verzeichnisse von Galerieverkäufen. Mit einem halben Dutzend Chips in seiner neuen Buchse verfügte Smith über ausgezeichnete Kenntnisse der Kunstszene, zumindest verglichen mit seinen Kollegen. Und dieser Smith kam eines Tages mit der Bitte um eine Art »Amtshilfe« unter Kollegen zum Finnen. Er wollte Infos über den Tessier-Ashpool-Clan. Allerdings seien die Recherchen so durchzuführen, dass garantiert keine Rückschlüsse auf den Urheber der Nachforschungen möglich seien, wie er betonte. Das ließe sich machen, meinte der Finne darauf, bestand jedoch auf einer Erklärung.
    »Die Sache stank«, sagte der Finne zu Case, »und zwar nach Kohle. Smith war sehr vorsichtig. Fast schon übervorsichtig.«
    Wie sich herausstellte, hatte Smith einen Lieferanten namens Jimmy gehabt. Dieser Jimmy – ein Einbrecher und dazu noch manches andere – war gerade von einem einjährigen Aufenthalt im Orbit zurückgekommen und hatte dabei gewisse Dinge durch den Gravitationsschacht mit nach unten geschafft. Das ausgefallenste Stück, das Jimmy auf seinem Streifzug durchs Archipel erbeutet hatte, war ein Kopf, eine kunstvoll gearbeitete Büste aus Cloisonné auf Platin mit Staubperlen- und Lapislazulibesatz. Smith hatte seufzend sein Taschenmikroskop weggelegt und Jimmy geraten, das Ding einzuschmelzen. Es sei eine moderne Arbeit, keine Antiquität, und habe keinen Sammlerwert. Jimmy lachte. Das Ding sei ein Computerterminal, sagte er. Es könne sprechen. Aber nicht mit synthetischer Stimme, sondern mit einem bildhübschen
Arrangement von Miniaturpfeifen. Angesichts der Tatsache, dass Chips für synthetische Stimmen so gut wie nichts kosteten, war es schon eine bizarre, abstruse Konstruktion. Ein Kuriosum. Smith schloss den Kopf an seinem Computer an und hörte sich an, wie die melodische Automatenstimme die Beträge der letztjährigen Steuerrückzahlungen flötete.
    Zum Kundenkreis von Smith gehörte ein Milliardär aus Tokio, dessen Sammlerleidenschaft für mechanisches Spielzeug an Fetischismus grenzte. Smith zuckte mit den Achseln und zeigte Jimmy die nach oben gekehrten Handflächen – eine Geste, die so alt war wie das Pfandleihgewerbe. Er könne es versuchen, sagte er, werde aber sicher nicht viel dafür herausholen.
    Nachdem Jimmy gegangen war, inspizierte Smith den zurückgelassenen Kopf sorgfältig und entdeckte bestimmte Feingehaltstempel. Schließlich fand er heraus, dass das Stück das Ergebnis einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit zweier Kunsthandwerker aus Zürich, eines Spezialemailleurs aus Paris, eines holländischen Juweliers und eines kalifornischen Chipdesigners war; im Auftrag der Tessier-Ashpool SA, wie sich herausstellte.
    Smith spielte dem Sammler in Tokio erste Hinweise zu, dass er etwas Außergewöhnliches in Aussicht habe.
    Und dann bekam er Besuch, unangemeldeten Besuch. Der Besucher marschierte durch sein aufwendiges, labyrinthisches Sicherheitssystem, als wäre es gar nicht vorhanden. Ein kleiner, ungeheuer höflicher Japaner, der alle Merkmale eines laborerzeugten Ninjakillers aufwies. Smith saß ganz still und blickte über den polierten Tisch aus vietnamesischem Rosenholz hinweg in die ruhigen, braunen Augen des Todesengels. Sanft und beinahe entschuldigend

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