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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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fünf, dann zehn links, Cat Mother«, sagte der Verbindungsmann.
    Sie bog nach links. Eine blasse Bibliothekarin kauerte mit feuchten Wangen und leerem Blick zwischen zwei Schließfächern. Molly ignorierte sie. Case fragte sich, was die Moderns angestellt hatten, um solches Entsetzen hervorzurufen. Er wusste, es hatte etwas mit einer falschen Drohung zu tun, aber er war zu sehr mit seinem Eis beschäftigt gewesen, um Mollys Ausführungen folgen zu können.
    »Das isses«, sagte Case, aber sie war schon vor dem Schließfach stehen geblieben, das die Konstruktion enthielt. Die Form der Schränke erinnerte Case an die neoaztekischen Bücherregale in Julie Deanes Vorzimmer in Chiba.
    »Los, Cutter!«, sagte Molly.
    Case schaltete in den Cyberspace um und jagte einen Befehl durch den knallroten Faden, der das Archiveis durchdrang. Fünf eigenständige Alarmsysteme waren davon überzeugt, noch in Betrieb zu sein. Die drei komplizierten Schlösser öffneten sich, hielten sich aber weiterhin für geschlossen. Die
Zentralbank des Archivs musste eine kleine Änderung in ihrem Dauerspeicher hinnehmen: die Konstruktion sei auf Anweisung der Geschäftsleitung vor einem Monat entnommen worden. Sollte ein Bibliothekar nachprüfen, ob die erforderliche Genehmigung vorlag, würde er feststellen, dass die Unterlagen gelöscht waren.
    Die Tür schwang lautlos auf.
    »0467839«, sagte Case, und Molly zog ein schwarzes Speichermodul aus dem Regal. Es glich dem Magazin eines schweren Sturmgewehrs und war mit allerlei Warnhinweisen und Geheimhaltungsbezeichnungen beklebt.
    Molly schloss das Fach. Case schaltete um.
    Er holte den Faden aus dem Archiveis ein. Dieser schnellte ins Programm zurück und löste dabei automatisch einen Rücklauf im ganzen System aus. Die Sense/Net-Tore sausten an ihm vorbei, als er sich zurückzog, und Subprogramme wirbelten in den Kern seines Eisbrechers, als er die Stationen der Tore passierte.
    »Raus, Brood!«, sagte er und sank auf seinen Stuhl zurück. Nach der Konzentration eines handfesten Runs konnte er eingesteckt bleiben, ohne dabei sein Körpergefühl einzubüßen. Bei Sense/Net würden sie möglicherweise Tage brauchen, um den Diebstahl der Konstruktion zu entdecken. Der Schlüssel dazu war der abgelenkte Transfer aus Los Angeles, der zu eindeutig mit dem Terroranschlag der Moderns zusammenfiel. Case bezweifelte, dass die drei Wachmänner, die Molly im Korridor über den Weg gelaufen waren, am Leben bleiben würden, um aussagen zu können. Er schaltete um.
    Der Aufzug, an dessen Schalttafel Mollys Blackbox klebte, stand noch da, wie sie ihn verlassen hatte. Der Wachmann lag nach wie vor zusammengekrümmt auf dem Boden. Erst jetzt bemerkte Case das Derm an seinem Hals. Ein Geschenk von
Molly, damit er nicht aufwachte. Sie trat über ihn hinweg, nahm die Blackbox ab und drückte dann auf Foyer .
    Als die Fahrstuhltür zischend aufglitt, taumelte eine Frau rückwärts aus dem Menschengewühl in die Kabine und schlug mit dem Kopf gegen die Rückwand. Molly ignorierte sie, bückte sich und zog das Derm vom Hals des Wachmanns ab. Dann beförderte sie die weiße Hose und den pinkfarbenen Regenmantel mit einem Fußtritt zur Aufzugtür hinaus, warf die Sonnenbrille hinterher und zog sich die Kapuze ihres Anzugs in die Stirn. Die Konstruktion in der Kängurutasche drückte bei jeder Bewegung gegen das Brustbein. Sie trat hinaus.
    Case hatte schon Panik erlebt, aber noch nie in einem geschlossenen Raum.
    Die Sense/Net-Angestellten, die aus den Aufzügen quollen, strömten zum Ausgang, wo sie auf die Schaumbarrikaden der Kampftruppen und die Distanzgewehre der Schnellen BAMAs stießen. Die beiden Einheiten, die überzeugt waren, eine Horde potenzieller Mörder zurückhalten zu müssen, arbeiteten ungewöhnlich effizient. Hinter dem Scherbenhaufen der Haupteingangstüren stapelten sich die Körper dreischichtig auf den Barrikaden. Das hohle, dumpfe Knallen der Distanzgewehre bildete den ständigen Hintergrund zu den Geräuschen der Masse, die auf dem Marmorboden des Foyers hin und her wogte. Solche Geräusche hatte Case noch nie gehört.
    Molly offenbar auch nicht. »O Gott«, sagte sie und zögerte. Es war ein schrilles Jammern, das zum gurgelnden Gewinsel nackter, höchster Angst anschwoll. Der Foyerboden war von Körpern, Kleidung, Blut und langen, zertrampelten Bahnen gelben Endlospapiers bedeckt.
    »Komm schon, Schwester! Wir müssen raus.« Die Augen der beiden Moderns lugten aus dem irrwitzigen

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