Neuromancer-Trilogie
und zum nächsten Kasino warteten.
Es war still in ihrem Zimmer, und der Temperschaum war glatt wie ein Strand nach der Flut. Ihre Tasche war fort. Er suchte nach einer Nachricht. Nichts. Es dauerte eine Weile, bis er in seiner Anspannung und Enttäuschung die Szenerie draußen vor dem Fenster registrierte. Er blickte auf und sah die Desiderata, teure Geschäfte: Gucci, Tsuyako, Hermès, Liberty.
Er machte große Augen und ging dann kopfschüttelnd zu einer Schalttafel, mit der er sich noch nicht befasst hatte. Er stellte das Hologramm ab und wurde mit dem Blick auf die Wohnanlagen belohnt, die sich terrassenförmig am gegenüberliegenden Hang hinaufzogen.
Er griff sich das Telefon und trat damit auf den kühlen Balkon hinaus.
»Geben Sie mir die Nummer der Marcus Garvey «, befahl er der Rezeption. »Das ist ein Schlepper aus Zion, der auch dort registriert ist.«
Die Chipstimme nannte eine zehnstellige Nummer. »Das Schiff ist allerdings in Panama registriert, Sir«, fügte sie hinzu.
Maelcum nahm beim fünften Klingelton ab. »Yo?«
»Case. Hast du’n Modem, Maelcum?«
»Yo. Am Navigationscomputer.«
»Kannste das abnehmen, Mann? Häng’s an meinen Hosaka! Dann schalt das Deck ein. Ist der geriffelte Knopf.«
»Wie läuft’s da drin bei euch, Mann?«
»Na ja, ich brauch Hilfe.«
»Schon unterwegs. Ich hol dir das Modem.«
Case lauschte dem leisen atmosphärischen Rauschen, während Maelcum den einfachen Telefonkoppler anbaute. »Eis aufbauen«, befahl er dem Hosaka, als er ihn piepen hörte.
»Sie sprechen von einem stark überwachten Ort aus«, teilte ihm der Computer mit.
»Scheiß drauf«, sagte er. »Vergiss das Eis! Kein Eis. Schalt die Konstruktion zu! Dixie?«
»Hallo, Case.« Die Flatline meldete sich über den Sprach-Chip des Hosaka, wobei der sorgsam konstruierte Akzent völlig verlorenging.
»Dix, du wirst jetzt hier einsteigen und mir was besorgen. Meinetwegen ganz offen. Molly ist irgendwo hier drin, und ich will wissen wo. Ich bin in 335W, im Intercontinental. Sie war auch hier angemeldet, aber ich weiß nicht, unter welchem Namen. Steig über die Leitung ein und geh deren Unterlagen für mich durch!«
»Gesagt, getan«, erwiderte die Flatline. Case hörte das weiße Rauschen der Invasion. Er lächelte. »Erledigt. Rose Kolodny. Abgereist. Dauert ein paar Minuten, bis ich das Sicherheitsnetz weit genug aufgerissen habe, um Genaueres rauszukriegen.«
»Na, dann los.«
Das Telefon wimmerte und klickte unter den Mühen der Konstruktion. Case trug es ins Schlafzimmer zurück und legte den Hörer nach oben gekehrt auf den Temperschaum. Er ging ins Bad und putzte sich die Zähne. Als er wieder herauskam, schaltete sich der Braun-Monitor der Audiovisionsanlage im Zimmer an. Ein japanischer Popstar, in metallisch glänzende Kissen gelehnt. Ein unsichtbarer Interviewer, der auf deutsch eine Frage stellte. Case starrte auf den Monitor. Blaue Interferenzstreifen ließen das Bild zucken.
»Case, Baby, bist du übergeschnappt, Mann?« Die Stimme war schleppend, vertraut.
Die Glaswand vor dem Balkon bot wieder den Blick auf die Desiderata, aber die Straßenszene verschwamm, verzerrte sich und blendete über ins leere Jarre de Thé in Chiba. Rotes Neon, von den verspiegelten Wänden in zerkratzte Unendlichkeit vervielfacht.
Lonny Zone, groß und ausgemergelt, trat mit den trägen, fließenden Unterwasserbewegungen seiner Drogensucht vor.
Er stand allein zwischen den quadratischen Tischen, die Hände in den Taschen seiner grauen Kammgarnhose. »Echt, ey, du siehst ganz schön abgefuckt aus.«
Die Stimme kam aus den Lautsprechern des Braun.
»Wintermute«, sagte Case.
Der Zuhälter zuckte lässig mit den Achseln und lächelte.
»Wo ist Molly?«
»Mann, du hast Sorgen. Du hast grade totalen Scheiß gebaut, Case. Die Flatline lässt in Freeside überall die Alarmglocken klingeln. Das hätte ich dir nicht zugetraut. Passt überhaupt nicht zu deinem Profil.«
»Dann sag mir, wo sie ist, und ich pfeif die Flatline zurück.«
Zone schüttelte den Kopf. »Du hast’s nicht so recht drauf, deine Frauen im Auge zu behalten, was, Case? Gehn dir ständig verloren.«
»Ich lass dich hochgehen mit der Sache«, sagte Case.
»Nein. Dafür bist du nicht der Typ, Mann. Weißt du was, Case? Ich schätz mal, du hast dir zusammengereimt, dass ich Deane befohlen habe, deine kleine Hure in Chiba kaltzumachen.«
»Hör auf«, sagte Case und machte unwillkürlich einen Schritt zum Fenster.
»Aber ich
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