Nevada Pass
Schwierigkeiten mit Hilfe der ausgezeichneten Steckbriefe, die der Geheimdienst lieferte.«
»Sie haben mich an der Nase herumgeführt. Die Regierung oder die Armee hätte mich ebensogut ins Vertrauen ziehen können.«
»Niemand hat Sie an der Nase herumgeführt. Als ich in diesen Zug stieg, wußte ich über die Vorgänge im Fort nicht mehr als Sie.«
»Aber jetzt wissen Sie mehr.«
»Ja, jetzt weiß ich mehr.«
»Deakin!« Deakin wirbelte herum und seine Hand fuhr zu der Waffe an seinem Gürtel. »Ein Colt ist auf die kleine Lady gerichtet, seien Sie also schön artig, Deakin.«
Deakin befolgte den Rat. Pearce saß auf dem Dach des ersten Waggons und grinste häßlich.
Deakin achtete sorgfältig darauf, keine verdächtige Bewegung zu machen, was doppelt ratsam schien, als dicht hinter Pearce O'Brien mit einer Pistole in der Hand auf dem Dach auftauchte. Deakin rief: »Was verlangt ihr von mir?«
»So ist es brav, Mr. Geheimagent«, lobte Pearce. »Halten Sie den Zug an.«
Deakin wandte sich den Instrumenten zu und sagte leise zu sich selbst: »Halten Sie den Zug an, hat der Mann gesagt.«
Er begann ganz sacht zu bremsen und schloß das Dampfventil. Aber dann bremste er plötzlich mit aller Kraft. Die Räder der Lokomotive blockierten sofort, und die Puffer zwischen den Waggons prallten mißtönend aufeinander.
Den beiden Revolverhelden auf dem Dach verging das Grinsen im Bruchteil einer Sekunde. Pearce stürzte auf die Plattform herunter und erwischte gerade noch rechtzeitig das Geländer, um nicht aus dem Zug zu fallen. Seine Waffe segelte in hohem Bogen davon. O'Brien lag ausgestreckt in Längsrichtung auf dem Dach des Waggons und klammerte sich an einen Entlüfter.
Deakin schrie: »Runter!« Er löste die Bremse, öffnete das Dampfventil weit und sprang mit einem Satz in den Tender. Claremont lag bereits auf dem Boden des Führerhauses, während Marica mit schmerzverzogenem Gesicht auf dem Boden des Tenders saß. Deakin warf einen kurzen Blick über die Holzbarrikade.
Pearce hatte sich hochgerappelt und suchte eiligst Schutz im ersten Waggon. O'Brien hob mit mordlüsternem Gesicht seine Pistole. Deakin hörte den Schuß, das Klirren, mit dem die Kugel auf dem Eisen aufschlug und das Pfeifen des Querschlägers nahezu gleichzeitig. Instinktiv packte er das nächstliegende Scheit und schleuderte es aus der Deckung dorthin, wo er O'Brien zuletzt gesehen hatte.
O'Brien hatte kein Ziel, auf das er schießen konnte, aber das schien ihm auch nicht erforderlich: Ein Querschläger konnte ebenso tödlich sein wie ein direkter Treffer. Und dann verzerrte sich sein Gesicht plötzlich vor Entsetzen: Das Holzstück, das auf ihn zukam, erschien ihm so groß wie ein Baumstumpf. Immer noch an den Entlüfter geklammert warf er sich zur Seite, aber es war zu spät: der Kolben traf ihn mit voller Wucht an der Schulter, und seine Waffe flog davon. Ohne zu ahnen, daß O'Brien keine Waffe mehr hatte, warf Deakin ein Scheit nach dem anderen hinter dem ersten her. Es gelang O'Brien zwar, einigen der Geschosse auszuweichen, aber die Mehrzahl traf doch ihr Ziel. Rückwärts kriechend wie ein Krebs bewegte er sich so schnell er konnte auf das hintere Ende des Daches zu und ließ sich erleichtert auf die rückwärtige Plattform des ersten Waggons hinab.
Deakin stand auf und riskierte einen ersten kurzen und dann einen längeren zweiten Blick nach hinten: Die Luft war rein. Sowohl die vordere Plattform als auch das Dach des ersten Waggons waren leer. Er wandte sich an Marica.
»Verletzt?«
Sie rieb sich ihre Kehrseite. »Nur dort, wo ich mich so plötzlich hingesetzt habe.«
Deakin lächelte und sah Claremont an. »Und Sie?«
»Nein. Nur meine Würde.«
Deakin nickte, drehte das Dampfventil noch weiter auf, nahm Raffertys Gewehr, ging zum hinteren Teil des Tenders und machte sich daran, einen zweiten Spalt in der Barrikade zu schaffen.
Im Tagesabteil wurde wieder ein Kriegsrat abgehalten, und diesmal beteiligte sich auch der Gouverneur daran. Im Augenblick herrschte eine ausgesprochen enttäuschte, wenn nicht gar defätistische Stimmung. Gouverneur Fairchild hielt wieder – oder immer noch – ein randvolles Glas Whisky in der Hand und brütete vor sich hin. O'Brien und Pearce, der gerade eine Flasche auf den Tisch zwischen ihnen zurückstellte, hatten immer noch nicht ganz begriffen, daß es tatsächlich jemandem gelungen war, sie zu überrumpeln. Henry, der ebenfalls ein Glas in der Hand hatte, hielt sich in
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