Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
n sein mit meinen Kommilitonen widmen. Manch ein ju n ger Offizier, der auf seiner Reise nach Osten bei uns St a tion gemacht hatte, sprach mit leuchtenden Augen von seiner Zeit auf der Akademie; nicht nur von den Freun d schaften fürs Leben, die er dort geschlossen hatte, so n dern auch von den übermütigen Streichen und von der guten Kameradschaft, die dort geherrscht hatte. Nicht etwa eigene Neigung zum Eigenbrötlertum, sondern u n ser isoliertes Leben in Breittal hatte mir eine einsame Kindheit aufgezwungen. Meine seltenen kurzen Gel e genheiten, mit gleichaltrigen Jungen zu spielen, hatte ich stets genossen. Mir war ein wenig bange bei dem Geda n ken, in das rege Gemeinschaftsleben an der Akademie geworfen zu werden, aber die Vorfreude und die g e spannte Erwartung überwogen. Ich war bereit für ein neues Leben, ein Leben, das nichts mehr mit meinem bisherigen ruhigen Dasein auf dem Lande zu tun hatte.
Mir war bewusst, dass die Tage meiner kindlichen Freiheit zu Ende waren. Vorbei waren die langen Ritte mit Sergeant Duril; vorbei waren die Abende der Muße, die ich damit verbracht hatte, meinen Schwestern beim Musizieren zu lauschen oder meiner Mutter beim Vorl e sen aus der Heiligen Schrift. Ich war kein junger Bub mehr, der sich auf dem Läufer vor dem Kamin räkelte und mit Bleisoldaten spielte. Ich war jetzt ein Mann, und eine lange Zeit des Studierens und Lernens wartete auf mich. Doch noch während dieser Gedanke mich bedrüc k te, fanden meine Finger die winzige Schneeflocke aus Spitze in meiner Tasche. Auch Carsina wartete auf mich, sobald ich mich erst als ihrer würdig erwiesen ha t te. Ich musste seufzen, als ich an sie dachte und an die langen Monate, die vergehen mussten, bis ich sie wiede r sehen würde, ganz zu schweigen von den Dienstjahren, die ich ableisten musste, bis ich sie zu mir holen konnte. Ich ha t te gar nicht gemerkt, dass mein Vater sich der R e ling des Bootes genähert hatte, bis er mich fragte: »Und warum seufzt du so, Sohn? Siehst du deiner Zeit auf der Akad e mie nicht mit Eifer entgegen?«
Ich richtete mich auf, bevor ich meinem Vater antwo r tete. »Mit großem Eifer, Vater«, versicherte ich ihm. Und dann, weil ich befürchtete, er könnte womöglich missbi l ligen, dass ich zärtliche Gefühle für Carsina hegte, bevor ich sie mir rechtmäßig verdient hatte, sagte ich: »Aber ich werde mein Zuhause vermissen.«
Er sah mich mit einem Blick an, der auch hätte bede u ten können, dass er längst erraten hatte, worauf sich me i ne Gedanken richteten, und fügte mit einem sarkast i schen Lächeln hinzu: »Das wirst du bestimmt. Aber in den kommenden Monaten musst du dich voll und ganz deinem Studium und deinen sonstigen Pflichten widmen. Wenn du Heimweh hast und jammerst, wirst du dich nicht konzentrieren können, und deine Lehrer werden womöglich glauben, dass du nicht die Hingabe mi t bringst, derer es bedarf, um ein guter Offizier zu werden. Es braucht Unabhängigkeit und Selbstvertrauen, um O f fizier in der vordersten Reihe der Schlacht zu sein oder um an unseren abgelegensten Außenposten stationiert zu sein. Ich glaube nicht, dass du damit zufrieden wärest, einen weniger anspruchsvollen Posten zu bekommen, dass dir eine Verwaltungsaufgabe in der Etappe oder die Organisation des Nachschubs lieber wären als die direkte Konfrontation mit dem Feind. Zeig ihnen, was wirklich in dir steckt, mein Sohn, und kämpfe um den Posten, der dir den meisten Ruhm bringen wird. In den Grenzzitade l len wird man schneller befördert. Strebe danach, dort eingesetzt zu werden, und du wirst sehen, dass dein Eh r geiz schneller befriedigt werden wird.«
»Ich werde deinen Rat beherzigen, Vater, und alles versuchen, um mich dessen, was du in mich investiert hast, als würdig zu erweisen«, erwiderte ich, und er nic k te, sichtlich zufrieden mit meiner Antwort.
Unsere Flussfahrt war der ereignisärmste Teil unserer Reise. Fast wäre sie mir sogar langweilig geworden, denn jener Teil Gerniens ist ziemlich eintönig. Die Tefa fließt gemächlich dahin durch die weiten Flachlande, und die kleinen Städte und Dörfer, die sich um die Anlegeplätze scharen, ähneln einander so sehr, dass die meisten von ihnen mit großen, entlang dem Flussufer aufgestellten Namensschildern auf sich aufmerksam machen. Das Wetter blieb gut, und wenngleich das Grün entlang der einsameren Strecken des Flussufers dichter wuchs als in der Prärie, war es wenig abwechslungsreich.
Mein Vater sorgte dafür,
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