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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Mann alles um sich herum sehen kann und ein Pferd leichtes Geläuf hat und nichts zwischen dir und dem Himmel steht. Ich denke, es sind meine langen Jahre als Soldat, die da aus mir sprechen. Einen solchen Ort würde ich nicht auskundschaften wollen, geschweige denn dort kämpfen. Du? Der Gedanke, eine Festung ve r teidigen zu müssen, die in einem solchen Dickicht steht, beängstigt mich.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich hatte mir das nicht ei n mal vorgestellt, wie es wäre, dort zu kämpfen, Sir«, sagte ich und versuchte mich zu erinnern, was ich mir denn vorgestellt hatte. Kampf und Soldatentum und Kavalla hatten keinen Platz in diesem lebenden Gott. Hatte ich mich wahrhaftig danach gesehnt, dort zu leben, zwischen den Bäumen, in Schatten und muffiger Feuchtigkeit und dumpfer Stille? Es stand in einem solchen Gegensatz zu allem, was ich mir von meinem Leben erhoffte, dass ich beinahe laut gelacht hätte. Es war, als wäre ich jäh aus dem Traum eines anderen Menschen herausgerissen worden.
    Mein Vater zündete seine Pfeife an und machte einen tiefen Zug. Er ließ den Rauch aus dem Mund entweichen, während er sprach. »Wir sind am Rande des alten Gern i en, mein Sohn. Diese Wälder bildeten früher die Grenze des Königreichs. Damals nannten die Menschen sie die Wildlande, und uns kümmerte wenig, was hinter ihnen lag. Einige Adelsfamilien hatten Jagdhütten hier, und natürlich gewannen wir auch Holz aus ihnen. Aber sie waren kein verlockender Ort für Bauern oder Viehzüc h ter. Erst als wir die Grenzen des Reiches über sie hinweg ausdehnten, in die Graslande und später dann in die Flachlande, kam überhaupt jemand auf die Idee, sich hier anzusiedeln. Noch zwei Flussbiegungen, und wir sind im eigentlichen Gernien.« Er rollte die Schultern, streckte sich ein wenig und schaute dann auf meine Füße. Dabei zog er die Stirn kraus. »Du wirst dir doch wohl deine Stiefel anziehen, bevor du zum Frühstück kommst, oder?«
    »Natürlich, Sir.«
    »Nun denn. Wir sehen uns gleich bei Tisch. Schöner Morgen, nicht wahr?«
    »Ja, Sir.«
    Er schlenderte davon. Ich kannte seine Gepflogenhe i ten. Als Nächstes würde er nach den Pferden in ihren Boxen schauen, danach würde er ein k leines Schwät z chen mit dem Steuermann halten, dann würde er kurz in unsere Kabine zurückkehren, und von dort aus würde er zum Kapitänstisch zum Frühstücken gehen, wo ich kurz darauf ebenfalls erscheinen würde.
    Aber vorher hatte ich noch ein kleines bisschen Zeit, den Wald zu genießen. Ich versuchte, mich in jenes erste Gefühl zurück zu versetzen, das ich bei seinem Anblick empfunden hatte, aber ich konnte diesen Zustand erhö h ten Bewusstseins nicht wiedererlangen. Der alte Wal d gott hatte sich von mir abgewandt. Ich konnte den Wald nur mehr als das sehen, als was ich ihn mein ganzes L e ben gesehen hatte: als Bäume und Tiere und Pflanzen auf einem Hang.
    Die Sonne stieg höher. Der Mann im Bug rief seine Anweisungen, und die Welt glitt an uns vorüber. Wie mein Vater es vorausgesagt hatte, näherten wir uns jetzt einer Flussbiegung. Ich ging zurück in unsere Kabine, um mich zu rasieren und mir die Stiefel anzuziehen. Mein Haar begann bereits zu einer unschönen Bürste auszuwachsen, die zu lang war, um militärisch auszus e hen, und zu kurz, um dem Kamm zu gehorchen. Ich machte hastig das Bett, das ich im Morgengrauen so schnell verlassen hatte, und begab mich dann zum Frü h stück in den kleinen Salon des Kapitäns.
    Der Salon und der Tisch des Kapitäns waren entspr e chend der Größe des Schiffs eine bescheidene Angel e genheit. Ich glaube, mein Vater genoss die Zwanglosi g keit. Wie jeden Morgen plauderten er und Kapitän Rho s her über das Wetter und erörterten, was der Tag wohl bringen würde. Ich hörte hauptsächlich zu und verzehrte dabei mein Frühstück. Es war einfach und deftig, nichts für Leckermäuler, aber die Portionen waren großzügig bemessen. Haferbrei, gebratener Speck, Brot, frische Ä p fel und ein starker Frühstückstee bildeten eine gute Grundlage für den Tag. Ich langte tüchtig zu. Mein Vater äußerte sich lobend über die schnelle Fahrt, die das Schiff während der Nacht gemacht hatte.
    »Ja, wir sind gut vorangekommen; die Nacht war klar und der Mond war hell. Aber für heute Nacht können wir nicht das Gleiche erwarten, nicht einmal für den Rest des Tages. Sobald wir Hartholz passiert haben, wird es auf dem Fluss nur so von Flößen wimmeln. Die sind für sich genommen schon

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