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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Studiertisch mit lautem Krach umkippte. Das brachte uns schlagartig zur Besi n nung, und wir hatten den Tisch bereits wieder aufgeric h tet und unsere Plätze eingenommen, als wir eilige Schri t te auf der Treppe nahen hörten. Sekunden später platzte unser Hirte mit seiner roten Schärpe in unsere Stube. »Was geht hier vor?«, herrschte uns Unteroffizier Dent an, während wir hastig aufsprangen. Seine Sommerspro s sen waren unter der Zornesröte, die sein Gesicht färbte, fast verschwunden.
    »Wir haben bloß ein bisschen herumgealbert, Sir«, antwortete Natred nach einem kurzen Moment des Schweigens. »Nichts Ernstes. Kein Streit.«
    Unteroffizier Dents Gesicht verdüsterte sich. »Ich hä t te es wissen müssen«, murmelte er, als wäre es töricht von ihm gewesen, zivilisiertes Benehmen von uns zu e r warten. »Nun gut, dann setzt euch wieder hin und hört auf herumzutollen wie kleine Jungs. Die Männer in den Stuben unter euch versuchen, ein bisschen Ruhe zu fi n den. Auch ihr solltet euch am besten zum Schlafengehen rüsten. Wenn die Hörner bei Sonnenaufgang blasen, müsst ihr euch gewaschen, rasiert und in Uniform auf dem z entralen Paradeplatz versammeln. Ich möchte nicht heraufkommen und euch aus den Betten scheuchen mü s sen! Das würde euch nicht gefallen, glaubt mir.«
    Damit machte er auf dem Absatz kehrt und marschie r te aus unserem Gemeinschaftsraum. Als er die Treppe hinunterging, hörten wir ihn über das Klackern seiner Stiefel hinweg zetern. »Na, da haben sie mir was Sch ö nes eingebrockt! Einen Haufen adliger Flegel!«
    Wir wechselten Blicke, einige von uns erschrocken, andere verwirrt, während wir uns langsam wieder hi n setzten. Natred schien belustigt, Kort wirkte gekränkt.
    »So springen sie hier mit uns um«, erklärte uns Rory träge. Er stand auf, kratzte sich die Brust und streckte sich. »Mein Vetter ist der Sohn eines alten Edelmanns. Den haben sie auch nicht besser behandelt. Er sagt, die Unteroffiziere würden immer einen Grund finden, auf uns allen herumzuhacken, als Gruppe. Er sagt, das soll uns Gruppenloyalität lehren und unseren Zusammenhalt fördern, damit wir als Truppe besser funktionieren. In den nächsten paar Wochen, egal, wie sehr wir uns a n strengen, werden sie uns nach Kräften schikanieren. Sie werden immer etwas finden, an dem sie herummäkeln können, uns strafexerzieren lassen oder uns mitten in der Nacht wegen nichts aus dem Bett scheuchen. Und Dent wird nicht der Einzige sein. Rechnet mit Schikanen von jedem Kadetten mit einem Zweitjahresstreifen auf dem Ärmel. Die heutige Nacht wird wahrscheinlich für eine ganze Weile die letzte sein, in der wir durchschlafen können. Ich für mein Teil werd das weidlich ausnutzen.« Er gähnte ausgiebig und grinste uns dann verlegen an. »Ich bin eben ein Junge vom Land. Ich gehe mit den V ö geln schlafen.«
    Sein Gähnen hatte mich angesteckt. Ich nickte ihm zu. »Ich auch. Es war ein langer Tag heute.«
    »Hat keiner Lust, mit mir zu würfeln?«, fragte Trist. Er war der Einzige, der von Unteroffizier Dents Anschiss unbeeindruckt schien. Er kippte seinen Stuhl zurück, so dass er auf zwei Beinen stand, verschränkte die Arme vor der Brust und grinste sein breites weißes Grinsen. Mit seinen haselnussbraunen Augen und seinem gestutzten Schopf lockigen sandfarbenen Haares sah Trist von uns allen am besten aus. Er verströmte Charme, wie eine Blume Duft verströmt. Ich vermutete, dass er schnell u n ser Anführer werden würde – und irgendwann schließlich ein charismatischer Offizier. Seine Einladung zum Wü r feln war verlockend.
    »Ich mach mit«, verkündete Gord mit leuchtenden Augen. Seine feisten Wangen wabbelten vor Begeist e rung.
    Ich nahm mich zusammen und sprach in den stillen Raum: »Ich nicht. Ich würfle nicht.«
    Ich drehte mich um, um zu meinem Bett zu gehen, als Spink Trist in ernstem Ton ermahnte: »Würfelspiele sind gegen die Vorschriften. In den Wohnräumen sind weder Würfelspiele noch Kartenspiele noch sonstige Glück s spiele erlaubt, bei Strafe des Schulverweises. Hast du die Hausordnung nicht gelesen?«
    Trist nickte träge. »Doch, hab ich. Aber wenn’s keiner weiß?«
    Langsam drehte ich mich wieder der Gruppe zu. Ich wusste, dass mein Ehrgefühl es gebot, jeden Verstoß g e gen die Vorschriften zu melden. Plötzlich mochte ich Trist weit weniger als noch einen Moment zuvor. Ich versuchte, den Mut zu finden, ihm zu sagen, dass ich es melden würde – dass ich nicht anders konnte, als

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