Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
es zu melden. Mein Mund war trocken.
Spink schüttelte den Kopf. Er verschränkte die Arme vor der Brust, aber es half nicht viel. Er sah immer noch klein, ja beinahe kindlich aus verglichen mit dem schla k sigen, lässig mit seinem Stuhl wippenden Trist. »Du sol l test uns nicht in eine solche Verlegenheit bringen, Trist. Du weißt, dass wir für dein Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden, selbst wenn wir nichts dafür können. Du weißt, dass der Ehrenkodex verlangt, dass wir es melden.«
Trist ließ seinen Stuhl mit einem dumpfen Schlag wieder auf alle vier Beine fallen. Dann stand er langsam auf. Der blonde Kadett ragte wie ein Turm über dem kleinen, dunklen Spink auf. »Ich habe mir doch nur einen Scherz mit dir erlaubt, Spink. Bist du immer so bierernst? Herr im Himmel, was bist du für eine Krämerseele!«
Spink wich keinen Zoll zurück. Er stand da, die Füße leicht gegeneinander versetzt, als rüste er sich zu einem Kampf. »Und das ist Blasphemie, den Namen des güt i gen Gottes woanders als im Gebet zu sprechen. Und überdies verstößt es gegen die Vorschriften der Akad e mie.«
»Verzeihung, o Hochheiligster. Ich werde mich sofort auf mein Zimmer verfügen und Buße tun.« Trist verdre h te die Augen, als er sich abwandte. Spink weigerte sich, es wahrzunehmen oder ihm hinterher zu schauen, als er aus dem Raum schlenderte. Einen Moment später folgten ihm Oron und Gord. Sie schlossen die Tür hinter sich.
Dieser erste kleine Riss in unserer Eintracht stimmte mich traurig, wenngleich ein Teil von mir ihn als unve r meidlich erkannte. Sergeant Duril hatte mir von solchen Dingen erzählt, auch wenn er dabei eher von seinen E r fahrungen im Felde gesprochen hatte als von denen an einer Akademie. Trotz der Unterschiede erkannte ich, dass seine Worte sich auch hier bewahrheiten würden. »Wann immer sich eine neue Gruppe bildet oder eine alte Gruppe neue Mitglieder aufnimmt, ganz gleich, ob es sich um ein Regiment oder einen Zug handelt, ganz gleich auch, ob die Beteiligten Offiziere oder gemeine Soldaten sind, wird es immer Gerangel darum geben, wer der Erste am Futtertrog ist. Jeder stellt die Stärke des Anderen auf die Probe, und nur selten kommt es nicht zu dem einen oder anderen Faustkampf, bevor der Staub sich schließlich setzt und die Hackordnung festgelegt ist. Bewahre am besten einen kühlen Kopf und denk immer daran, dass es sein muss; und tu alles, um dich selbst aus dem Gerangel herauszuhalten. Versteh mich nicht falsch, Junge, ich will damit nicht sagen, dass du klein beigeben sollst. Du sollst dich nur zurückhalten und Ruhe bewa h ren, und lass dir die Herausforderung erst von den and e ren aufnötigen, bevor du sie annimmst. Damit niemand jemals daran zweifelt, dass nicht du es warst, der mit dem Streit angefangen hat. Du bist derjenige, der ihn bee n det.«
»Nevare?« Kort stieß mich an, und ich fuhr zusa m men. Ich merkte, dass ich auf eine geschlossene Tür starrte. »Vergiss es«, riet er mir.
Ich nickte. »Ich glaube, ich bin auch reif fürs Bett«, entschuldigte ich mich. Aber das war leichter gesagt als getan. In unserem Zimmer gab es nur einen Waschstä n der, und ich musste warten, bis ich an der Reihe war. R o ry kam in einem schlichten Nachthemd in unsere Stube spaziert. Er hockte sich an den Fuß meines Bettes und fragte leise: »Glaubst du, zwischen Trist und Spink wird es Krach geben?«
»Spink wird jedenfalls nicht derjenige sein, der ihn vom Zaun bricht«, sagte ich nach kurzem Überlegen.
»Das glaube ich auch. Aber wenn es zu einem Kampf zwischen den beiden kommt, werden wir alle dafür za h len müssen. So halten sie es hier. Einer baut Mist, wir alle zahlen die Zeche.«
Ich war an der Reihe mit Waschen, und während ich vor dem Waschständer stand und mich wusch, sagte R o ry: »Vielleicht könntest du mit Spink reden. Sag ihm, er soll es langsam angehen lassen, bis wir uns alle eing e wöhnt haben. Es wird schon schlimm genug werden, wenn Unteroffizier Dent uns schikaniert. Da müssen wir uns nicht auch noch gegenseitig das Leben zur Hölle m a chen.«
»Dann wäre vielleicht besser Trist derjenige, mit dem wir reden sollten«, sagte ich. Rory schaute mich an und schüttelte den Kopf. »Nein. Trist ist nicht der Typ, der sich was sagen lässt. Nun ja. Ich gehe dann wohl besser mal wieder auf mein Zimmer.«
Ich wollte ihn fragen, ob Trist ihn zu mir geschickt hatte, und ich fragte mich auch, ob sie da drinnen jetzt wohl würfelten. Doch dann entschied
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