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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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melden will, als zum Offizier in der Kavalla au f zusteigen? Wenn du das willst, warte ich nämlich besser hier oben. Ich möchte nicht unbedingt miterleben, was er in dem Fall mit dir macht.«
    So hart fasste er mich meistens an, und ich bin stolz darauf, von mir b ehaupten zu können, dass ich besser mit dieser Art der Behandlung zurechtkam als die meisten Burschen in meinem Alter. Er war drei Jahre zuvor an der Tür meines Vaters erschienen und hatte eine Stelle für seine alten Tage gesucht, und mein Vater hatte ihn nur zu gern eingestellt. Duril hatte eine Reihe wenig z u friedenstellender Hauslehrer abgelöst, und wir hatten uns sofort gut verstanden. Sergeant Duril hatte seine langen Jahre ehrenhaften Militärdienstes beendet, und da war es ihm nur natürlich erschienen, dass er, wenn er in den R u hestand ging, auf dem Besitz meines Vaters leben und Lord Burvelle genauso gut dienen würde, wie er Oberst Burvelle gedient hatte. Ich glaube, es machte ihm Spaß, die praktische Ausbildung von Nevare Burvelle zu übe r nehmen, Oberst Burvelles Zweitgeborenem, dem Sold a tensohn, der dazu ausersehen war, in die Fußstapfen se i nes Vaters als Offizier zu treten.
    Der Sergeant war ein schrumpliger kleiner Mann mit einem Gesicht, das ebenso dunkel wie runzlig war. Seine Kleider waren abgetragen und hatten sich mit den Jahren der Form eines Mannes angepasst, der den größten Teil seiner Zeit im Sattel verbrachte. Selbst wenn sie frisch gewaschen waren, hatten sie immer etwas Graues, Ve r staubtes an sich. Auf dem Schädel trug er einen zerbeu l ten Lederhut mit einer weichen Krempe und einem Hu t band, das mit Flachlandperlen und Tierzähnen verziert war. Seine hellen Augen spähten wach unter seiner Hu t krempe hervor. Das bisschen Haupthaar, das ihm gebli e ben war, war braun und grau meliert. Ihm fehlte das ha l be linke Ohr, und an der Stelle, wo es hätte sein sollen, prangte eine hässliche Narbe. Um diesen Mangel wet t zumachen, trug er ein Kidona-Ohr in einem Beutel am Gürtel. Ich hatte es nur einmal gesehen, aber es war u n verkennbar ein Ohr. »Ich hab mir seins genommen, als er versuchte, mir meins zu nehmen. Es war barbarisch, aber ich war jung und wütend, und mir lief das Blut am Hals herunter. Später, am Abend, als der Kampf vorbei war und ich mir genauer anschaute, was ich getan hatte, habe ich mich geschämt. Aber es war zu spät, um es seinem Leichnam beizugeben, und ich konnte mich nicht dazu überwinden, es einfach wegzuwerfen. Seitdem trage ich es bei mir, damit es mich immer daran gemahnt, was der Krieg bei einem jungen Menschen anrichten kann. Und deshalb zeige ich es dir jetzt«, hatte er gesagt. »Nicht, damit du zu deiner kleinen Schwester rennst und deine Frau Mutter sich später beim Oberst darüber beschwert, was für schlimme Dinge ich dich lehre, sondern, damit du darüber nachdenkst.
    Bevor wir den Flachländern die Zivilisation beibri n gen konnten, mussten wir ihnen erst beibringen, dass sie uns im Kampf nicht besiegen können. Und das mussten wir tun, ohne auf ihr Niveau hinabzusteigen. Aber wenn man um sein Leben kämpft, denkt man daran nicht als Allererstes. Besonders, wenn man ein junger Mann ist und allein draußen unter Wilden, ganz auf sich gestellt. Einige von unseren Burschen – gute, redliche Burschen, als sie von zu Hause weggingen – ließen sich so sehr ve r rohen, dass sie am Ende, als wir fertig waren, kaum be s ser waren als die Flachländer, gegen die wir gekämpft hatten. Viele von ihnen sind gar nicht mehr nach Hause zurückgekehrt – nicht nur die, die gefallen sind, sondern auch die, die sich nicht mehr daran erinnern konnten, wie es gewesen war, zivilisiert zu sein. Sie blieben dort, nahmen sich Flachländerinnen zur Frau, jedenfalls einige von ihnen, und jetzt gehören sie zu denen, die zu zähmen wir einst ausgezogen waren. Merk dir das gut, Nevare. Bleib immer der, der du bist, wenn du einst ein erwac h sener Mann und ein Offizier wie der Oberst bist.«
    Manchmal behandelte er mich so, als wäre ich sein e i gener Sohn. Dann erzählte er mir Geschichten aus seiner Zeit als Soldat und gab seine schlichten Lebensweishe i ten an mich weiter. Meistens aber behandelte er mich wie ein Zwischending aus einem ungehobelten Rekruten und einem dummen Hund. Aber ich zweifelte nie daran, dass er mich mochte. Er hatte selbst drei Söhne, die er gro ß gezogen und zur Armee geschickt hatte, Jahre bevor er sich meiner annahm. Wie bei gemeinen Soldaten üblich, hatte er

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