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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Kissen neben sich und forderte mich mit einem Wink auf, mich darauf ni e derzulassen. Ich seufzte und gab der Erkenntnis nach, dass es zum einen unvermeidlich war und dass ich zum andern tief in meinem Innern meiner Neugier nicht lä n ger widerstehen konnte.
    Und so setzte ich mich denn auf das Sitzkissen neben ihr. Ein leichtes Unbehagen beschlich mich, als Spink meine Hand nahm. Epinys Hand hing wartend zwischen uns in der Luft. Ich streckte meine Hand nach ihr aus.
    Sofort empfand ich wieder diese seltsame Verzerrung meiner Sinne. Das Zimmer war bedrückend eng, und ich erstickte fast darin. Der Duft der Kerzen war so fremda r tig, dass ich kaum Luft bekam. Und das Mädchen, das da nach meiner Hand griff, hatte Augen, die tiefer waren als jeder Waldsee, und Finger, die Wurzeln in mir zu schl a gen vermochten, ehe ich auch nur einmal Atem holen konnte. Irgendetwas tief in mir verbat mir diesen Ko n takt; es war gefährlich, die Hand eines Geisterbeschw ö rers zu berühren, und unrein dazu.
    »Nimm meine Hand, Nevare!«, sagte Epiny ungedu l dig, und ihre Stimme klang, als käme sie aus weiter Fe r ne. In meinem Traum griff ich nach ihrer Hand, aber es war, als würde ich versuchen, meine Hand durch erstar r tes Gelee zu stoßen. Die Luft selbst widersetzte sich der Bewegung, und als Epiny ihrerseits versuchte, meine Hand zu ergreifen, sah ich, dass sie auf dieselbe Barriere stieß.
    »Es ist wie Ektoplasma, aber unsichtbar!«, rief sie. Aus ihrer Stimme klang unbändige Neugier, aber nicht die geringste Angst. Sie versuchte weiter, ihre bleichen weißen Finger in Richtung meiner Hand zu bewegen; sie sahen aus wie tastende Wurzeln, die sich bis in mein Herz bohren wollten.
    »Ich … ich fühle etwas«, sagte Spink. Ich hörte för m lich, wie peinlich es ihm war, das zugeben zu müssen. Mir war so klar, als hätte er es laut ausgesprochen, dass er diese »Seance« für einen Schwindel gehalten hatte, aber gleichzeitig für einen ausgezeichneten Vorwand, Epinys Hand zu halten. Auf das, was da jetzt passierte, war er nicht gefasst gewesen. Es m achte ihm Angst, aber mir entging trotz meiner eigenen verzerrten Wahrne h mung nicht, dass er Epinys Hand trotzdem nicht losließ.
    »Halt!«, rief ich unvermittelt. Meine Stimme klang brüchig wie die einer alten Frau. »Halt, du kleines H e xenbiest! Ich binde dich!«
    Meine Hand versuchte etwas zu machen, das sie nicht konnte. Ich war schockiert, schockiert von meinen Wo r ten, schockiert darüber, wie meine Finger wie verrückt in der Luft zwischen Epiny und mir tanzten. Ich starrte auf meine Hand, als wäre sie ein Fremdkörper; ich hatte ke i nerlei Kontrolle über sie. Epiny glotzte mich an, und Spinks Augen waren so groß wie Untertassen. Dann beugte sich Epiny plötzlich vor und blies beide Kerzen aus.
    Tiefe Dunkelheit senkte sich über uns herab. Ich sah nichts – das heißt, meine sterblichen Augen sahen nichts. Meine »anderen« Augen, die, die Epiny als fremdartig und seltsam empfanden, sahen plötzlich den dichten Wald vor mir. Einen Moment lang roch ich den Humus und spürte sogar die Ranken, die mich an den Baum in meinem Rücken fesselten. Dann schrie jemand. Es war ein Schrei, in dem sich Überraschung, Wut und, ja, auch eine Spur von Angst mischten.
    Der – das – »Andere« verließ mich. Ich saß wieder auf einem Kissen im Dunkeln. Ein Pünktchen Glut schwelte noch an der Spitze eines der Dochte. Es spendete kein Licht, aber es diente mir als Orientierungspunkt, auf den ich meinen Blick richten konnte. Ich hörte, wie ein Schwefelhölzchen angerissen wurde, und gleich darauf stieg mir sein stechender Geruch in die Nase. Ich sah Epinys Hand in dem kleinen Kreis aus Licht, den die Flamme des Zündholzes warf. Sie zündete die beiden Kerzen wieder an und schaute von mir zu Spink und wieder zu mir. Sie sah ein wenig mitgenommen aus, aber ihre Stimme klang schelmisch. »Nun. Wie ihr seht. Nichts weiter als ein paar Leute, die im Dunkeln im Kreis zusammensitzen, Händchen halten und sich gege n seitig mit Geschichten vom Schwarzen Mann Angst m a chen. Trotzdem kann es ganz amüsant sein.« Ein Lächeln huschte über ihr bleiches Gesicht. »Ich glaube, du kannst Spinks Hand jetzt loslassen. Natürlich nur, wenn du möchtest.«
    Erst jetzt wurde mir bewusst, dass Spink und ich uns immer noch ganz fest bei den Händen hielten, so fest, dass es wehtat. Wir ließen gleichzeitig los. Ich rieb mir mit einem leicht belämmerten Gesichtsausdruck die schmerzenden

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