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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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gekommen. Das Getümmel hatte sich erst aufgelöst, als mehrere ältere Kadettenoffiziere auf dem Schauplatz erschienen waren. Rory freute sich diebisch darüber, dass einem seiner Kontrahenten, nac h dem er ihn mit einem Stein am Kopf getroffen hatte, »sein kostbares altes Blut aus seiner kostbaren alten N a se« getropft war. Trist war ebenfalls mit von der Partie gewesen, wie auch Caleb. Oron war nur als Augenzeuge dabei gewesen. Trotzdem schien er noch empörter als Rory zu sein. Zweimal sagte er laut: »Ich versteh das ei n fach nicht. Wir sind doch alle Kadetten hier. Warum ha s sen die uns eigentlich plötzlich alle so?«
    Als er es zum zweiten Mal sagte, klappte Gord mit e i nem Seufzen sein Buch zu. »Liest denn keiner von euch Zeitung?«, fragte er. Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Der Rat der Herren hat gerade über die Steuern für die Straße des Königs abgestimmt. Die alten Edelle u te waren dagegen, mit dem Argument, sie bräuchten das Geld für die Straßen und die Verbesserung der Infr a struktur in ihren eigenen Gebieten. Dort sei es besser a n gelegt als für ›die Straße nach Nirgendwo‹, wie Lord Ja r fries es nannte. Der alte Adel hatte damit gerechnet, den Antrag, einen Teil seiner Steuereinnahmen für König Trovens Straße abzuzweigen, leicht abschmettern zu können. Ich habe sogar gelesen, dass einige von ihnen laut lachten, als ein neuer Edelmann namens Lord Simem ihn seinerzeit stellte. Doch als die Wahlurnen ausgezählt wurden, nicht weniger als dreimal, war die Mehrheit z u gunsten der Steuern für die Straße des Königs.«
    Er sagte das, als sei es von immenser Bedeutung. Wir alle starrten ihn schweigend an. »Ihr Ignoranten!«, sagte er schließlich mit einem Ausdruck des Abscheus. »Denkt mal darüber nach, was das bedeutet. Es bedeutet, dass eine genügend hohe Anzahl von alten Edelleuten die L i nie überschritten und mit dem neuen Adel gestimmt hat, was wiederum bedeutet, dass der König ein größeres Stück Macht im Lande wiedererlangt hat. Die alten Ad e ligen, die glaubten, die Macht würde langsam aber sicher in ihre Hände übergehen, haben einen herben Rückschlag erlitten. Sie ärgern sich darüber, und deswegen hassen sie und ihre Söhne uns umso mehr. Sie glaubten, sie seien auf dem besten Wege, die Macht im Lande an sich zu reißen und dabei den König zu einer Art Galionsfigur zu degradieren. Der alte Adel hätte die Monarchie immer weiter ausgehöhlt, immer mehr Macht an sich gezogen, immer mehr Steuern für sich behalten, immer mehr Reichtum angesammelt … Begreift denn keiner von euch, wovon ich rede?« Enttäuschung und Ärger misc h ten sich in seine Stimme.
    »Der gütige Gott hat König Troven über uns alle g e stellt, auf dass er uns gut und gerecht regiere. Die Heilige Schrift sagt, dass die Herren ihrem König dienen sollten wie ein guter Sohn seinem Vater, mit Gehorsam, Respekt und Dankbarkeit für seine Führung und Leitung.« Oron sagte dies so feierlich, dass ich beinahe den Kopf gesenkt und das Zeichen des gütigen Gottes beschrieben hätte. Er klang in diesem Moment mehr wie ein Diakon als Gord.
    Gord gab ein Schnauben von sich. »Ja. In diesem Glauben sind wir alle erzogen worden, jeder Soldate n sohn, jeder Sohn eines neuen Edelmanns. Aber was glaubt ihr, was die alten Edelleute ihren Erstgeborenen und ihren Soldatensöhnen erzählt haben? Glaubt ihr, sie haben ihnen beigebracht, dass sie zuallererst ihrem König verpflichtet sind oder ihren eigenen Vätern?«
    »Verrat und Ketzerei!«, sagte Caleb wütend. Er zeigte anklagend mit dem Finger auf Gord und fragte: »Warum sagst du solche Dinge?«
    »Ich sage das doch nicht! Ich diene dem König gena u so bereitwillig wie jeder andere hier im Raum. Ich sage nur, dass wir vielleicht dazu erzogen worden sind, keine Fragen zu stellen, und als Folge davon versteht ihr die nicht, die Fragen stellen. Ihr seht nicht, wie unsere Loy a lität diejenigen stört, die dem König selbst nicht so blind ergeben sind.«
    »Blind ergeben!«, ereiferte sich Rory. »Was ist blind daran zu wissen, dass wir unserem König unsere Treue schulden? Was ist blind daran, dass wir unsere Pflicht kennen?«
    Gord lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Sein Gesicht nahm einen harten Zug an. In den vergangenen Wochen hatte er sich verändert, auf eine Weise, die ich nicht g e nau definieren konnte. Er war immer noch genauso dick; er schwitzte immer noch beim Exerzieren und schnaufte immer noch wie ein Walross, wenn er

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