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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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bestätigst du ihn nur in seinem Vorurteil. Und wenn du durch den Test fällst, beweist du damit, dass sie mit ihren Vorurte i len schon immer Recht gehabt haben: dass wir nicht zum Offizier taugen, sondern nur zum gemeinen Fußsoldaten. Du kannst weder das Eine noch das Andere tun, Spink. Um der Ehre deines Vaters willen musst du ihm zeigen, dass er sich irrt. Halte aus! Bestehe den verdammten Test. Tu was immer du kannst, um ihn zu bestehen. Und lass dir von Nevare helfen, deinen Namen reinzuw a schen. Lass ihn in deinem Namen zu seinem Onkel g e hen. Ich habe dich nicht ein herabsetzendes Wort über diese Epiny sagen hören. Du hast sie nicht entehrt. Kämpfe darum, deinen Namen reinzuwaschen und den ihren auch. Wenn du jetzt die Flinte ins Korn wirfst, wird jeder glauben, du tust das nur, weil du dich schämst, e t was Falsches getan zu haben.«
    Im Stillen sprach ich einen Segen über Natred. Er ha t te so schnell und so klar erkannt, was er sagen musste, um Spink Mut zu machen. Wenn er es schon nicht für sich tun würde, dann für die Ehre seines Vaters und für Epinys guten Namen. Fast konnte ich hören, wie er nachdachte. Er ging zu seinem Bett, und es raschelte, als er sich im Dunkeln auszog. Gerade als ich schon dachte, er habe resigniert, und im Begriff war, in den Schlaf hi n überzugleiten, meldete er sich noch einmal zu Wort: »Ich will’s versuchen«, sagte er. »Ich will’s versuchen.«

19. Intervention
     
    Bis zum Sektionstest und der damit verbundenen Au s sonderung waren es nur noch drei Tage. Wie Gord vo r ausgesagt hatte, waren wir nicht die einzigen Erstjährler, die von dem Gerücht gehört hatten. Vielleicht war es b e wusst gestreut worden, vielleicht auch nicht. Mit Siche r heit sagen ließ sich nur, dass der Campus sich plötzlich in einen sehr stillen, geradezu tristen Ort verwandelt ha t te. In den Schlangen vor der Essensausgabe wurde nicht mehr geschwatzt oder gescherzt, und die Gespräche bei Tisch drehten sich ausschließlich um unseren Lernstoff und um die Frage, was in den Prüfungen wohl »dra n kommen« würde.
    Alle lernten noch eifriger, aber einige von uns hatten mit ihren ganz eigenen Schwierigkeiten zu kämpfen. Bei Rory war es die varnische Grammatik. Natred und Kort hatten einfach kein Talent fürs Zeichnen. Mein Proble m fach war Militärgeschichte bei Hauptmann Infal. In den letzten zwei Wochen hatten wir die Seeschlachten aus dem Krieg König Jurews durchgenommen. Ich vermoc h te nicht zu erkennen, inwieweit das Erlernen von Se e kriegstaktik und -Strategie für einen künftigen Kavallao f fizier von Nutzen sein sollte, und hatte meine liebe Not damit, die Namen der verschiedenen Kapitäne und die militärische Ausrüstung ihrer diversen Schiffe im Kopf zu behalten. Jetzt las ich meine Aufzeichnungen noch einmal durch und versuchte verzweifelt, jede einzelne Phase jeder einzelnen Schlacht auswendig zu lernen. Ich war sauer auf den Ausbilder, weil ich sicher war, dass ich das, was ich mir jetzt mit so viel Mühe einzutrichtern versuchte, niemals in der Praxis brauchen würde.
    Und Spink tat sich nach wie vor mit seiner verdam m ten Mathematik schwer. Es war eine Qual, ihm zuz u schauen. Im Treppenhaus war eine Sicherheitslaterne, die rund um die Uhr brannte. In seinem verzweifelten Bestreben, sich noch mehr Zeit fürs Lernen abzuknapsen, ging Spink nachts heimlich mit einem Stuhl auf den Treppenabsatz und stellte sich auf die Sitzfläche, damit er sein Buch nahe genug an die Lampe halten konnte, um seine Gleichungen zu üben. Morgens quälte er sich dann mit rotumränderten Augen und grauem Gesicht aus dem Bett, um irgendwie den Tag durchzustehen.
    Spinks Anstrengungen entgingen Trists Aufmerksa m keit nicht. Er sprach nur einmal mit Spink darüber, und dabei klang er fast freundlich. »Wir sehen alle, wie sehr du dich bemühst, Spink. Und was immer du tust, um eine gute Note zu erzielen – wir wissen, dass du es ebenso sehr für uns wie für dich tust.«
    Spink hob den Kopf und schaute Trist an. »Ich werde nicht schummeln«, sagte er mit fester Stimme. »Für ni e manden.« Dann wandte er den Blick wieder seinen B ü cher zu und schaute nicht mehr auf, nicht einmal, als Trist seinen Stuhl heftig vom Tisch wegstieß und wütend hinausmarschierte.
    Wäre die Aussonderung das Einzige gewesen, wo r über wir uns hätten Sorgen machen müssen, wäre das wahrlich schon genug gewesen. Aber für Spink und mich gab es noch andere Sorgen. An dem Tag, nachdem Spink auf

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