Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
eigentlich leichter machen müssen, ihm zu sagen, was ich dachte. Stattdessen fiel es mir noch schwerer. Ich wünschte mir plötzlich, ich wäre von Anfang an ehrlich zu ihm gewesen und hätte ihm nicht nur von den Seancen erzählt, sondern auch, dass Epiny Spink schrieb. Es ihm jetzt zu sagen gab mir das Gefühl, an den Täuschung s manövern seiner Tochter beteiligt zu sein, was ich in der Tat ja auch war. Er hörte schweigend zu, als ich ihm die ganze Geschichte erzählte, wobei ich Epinys Bemühu n gen, sich als Medium zu versuchen, nur sehr flüchtig streifte, mich dafür aber umso ausführlicher darüber au s ließ, wie sehr Spink von ihr beeindruckt gewesen war. Mein Onkel zog überrascht die Augenbraue hoch, als ich ihm erzählte, dass Spinks Mutter und sein älterer Bruder ihm wahrscheinlich schon sehr bald einen Brief schicken würden, in dem sie ihn um die Erlaubnis bitten würden, dass Spink Epiny den Hof machte. Eigentlich überrasche es mich, fügte ich hinzu, dass der Brief nicht schon längst bei ihm eingetroffen sei.
»Vielleicht ist er das ja«, sagte er, als ich eine Pause machte. »Vielleicht liegt er im Sekretär meiner Frau, z u sammen mit unserer Korrespondenz. Vielleicht hat er ja sogar diese ganze Sache ins Rollen gebracht. Ich will ehrlich zu dir sein, Nevare. Meine Frau hat hochfliegende Pläne mit Epiny. Dass sie den Soldatensohn eines neuen Edlen heiratet und Hunderte von Meilen von Alt-Thares und dem Hof entfernt an der Grenze lebt, ist nicht das, was ihr für ihre ältere Tochter vorschwebt. Sie bringt Epiny in Situationen, die ich für unklug halte, alles in dem Bestreben, sie gesellschaftlich voranzubringen. Di e ser Unfug mit den Seancen zum Beispiel … wenn das Mädchen doch bloß nicht so kindisch wäre. Andere Mädchen in ihrem Alter sind bereits junge Frauen, die förmlich bei Hofe eingeführt werden und bereits verspr o chen sind. Aber Epiny …« Er seufzte und schüttelte den Kopf. In der Dunkelheit sah ich sein wehmütiges L ä cheln. »Nun, du hast ja selbst gesehen, dass sie in allen wichtigen Belangen noch ein kleines Mädchen ist. Ich sage mir immer, sie wird beizeiten schon noch erwachsen werden. Manche Blumen blühen eben später als andere, und es heißt, dass sie dann am schönsten duften. Wir werden sehen. Ich habe Daraleen verboten, Epiny mit Gewalt zu einer erwachsenen Frau zu machen. Die Kin d heit ist ein zu knappes und zu kostbares Gut, als dass man es verschwenden sollte.« Er räusperte sich. »Ich dachte, meine Gattin habe sich meine Denkweise zu e i gen gemacht, als sie vorschlug, Epiny für eine Weile mit anderen jungen Mädchen ihres Alters zusammenzutun. Epiny erhob sofort Einwände; sie habe keine Lust, darauf gedrillt zu werden, den Zierrat für das Haus irgendeines reichen Mannes abzugeben.« Er sah mich an, und sein Lächeln war schmallippig und ein wenig bitter. »Nach dem, was ich gerade von dir erfahren habe, darf ich wohl vermuten, dass sie sich stattdessen bereits als Herrin im Quartier eines armen Kavallaoffiziers sah.«
Wir gingen weiter, Arm in Arm, und meine Zunge lag mir bleischwer im Mund. Epiny hinterging ihren Vater, und durch mein Schweigen machte ich mich zu ihrem Komplizen. Aber was sollte ich sagen? Dass sie, wenn sie allein mit Spink und mir war, sich nicht bloß wie eine junge Frau benahm, sondern dazu noch äußerst kokett auftrat? Ich behielt meine Worte und meine Schuldgefü h le bei mir.
»So wird mir natürlich jetzt auch klar, wie sehr die Zuneigung deines Freundes zu Epiny und seine Bitte an seine Familie, meine Erlaubnis zum Hofieren einzuholen, Lady Burvelle erschreckt haben muss. Da hat sie noch nicht einmal Zeit gehabt, ihren kostbaren Schatz bei Hofe zu präsentieren, und schon kommt irgendein Empo r kömmling aus dem neuen Adel daher und versucht, sie für sich zu gewinnen, um sie in die wilde Grenzregion zu entführen, in ein Leben voller Gefahren und Entbehru n gen!« Mein Onkel versuchte, es von der humorvollen Seite zu sehen.
Ich holte tief Atem und trat die Flucht nach vorn an. »Spink ist sehr angetan von meiner Base, Onkel. Das ist wohl wahr. Aber er hat ihr nicht geschrieben. Es war eine einseitige Korrespondenz. Es stimmt wohl, dass er seine Mutter und seinen Bruder gebeten hat, sich für ihn zu verwenden, aber das würde wohl jeder Ehrenmann so machen; erst einmal zu versuchen, sich die Genehmigung einzuholen, bevor er beginnen würde, dem Mädchen den Hof zu machen.«
Ich dachte, ich hätte ihm durch
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